(Vers-) Erzählungen von Christine

 

 

Inhalt:

 

Sommernacht am See.

Hört hin.

Mensch, empfinde!

Muttererde.

Nun will der Lenz uns grüßen.

Mein Städtchen an der Donau.

Soldat.

Sie.

Immer ein Flüchtling.

Mein Freund, der Sepp.

Der Dieb.

Das Glas.

Friedhofsbank.

Armer reicher Mann.

Als im Zug noch Menschen reisten.

Auf dem Mond.

Verkanntes Genie.

Witwensommer.

Das katholische Kind.

Mein Zahnarzt.

Mein Schneckenhaus.

Der greise Schritt.

Der greise Schritt, zweiter Teil.

Am Leben dran.

Mozartkugeln.

Weniger ist mehr.

Die Heimsuchung.

Knopf im Ohr.

Bedeutungslos in der Menge.

All you need is love.

An den Fenstern. (2021)

Silber, Gold und Diamanten.

Haushaltsauflösung.

Sommernacht am See.

 

 

Still ist es in Hain und Flur,

der schwüle Tag gähnt sich in die Nacht;

am Feldrand liegen zwei Fahrräder nur,

und der Mond hält schon seine Wacht.

 

Funkelnd sein Licht leuchtet  in das Nass,

deckt alles zu mit seinem kühlen Blass.

Die Entlein nicken ihre Köpfchen in ihr Gefieder ein,

man hört nur noch die Gänse schrei´n…

 

Und die Frösche quaken ihr Konzert

bis der neue Tag wiederkehrt.

Am See schaukelt ein Nachen

Zwei glückliche Menschen darin wachen

für sich allein;

an diesem Ort wollten sie schon immer sein.

 

Die lange Weile im Kahn ist für sie gedacht,

möge sie lange bleiben, diese eine Nacht.

Am Feldrand liegen die Fahrräder nur…

Still ist es in Hain und Flur.

 

 

© Christine Biermann

Hört hin.

 

 

Hört sie euch an, die Liedermacher;

ihre Botschaft in vertonter Poesie,

erdacht die Texte, welche die Seelen beschreiben;

die ausschütten ihre Bedenken,

nämlich die Ängste um die Welt,

die so fragil ist, wie sie selbst.

 

Die Finger streicheln zärtlich das Klavier,

bevor der Sänger aussagt, was er meint.

Instrumente stimmen dann mit ein, 

und aus dem Lied wird ein Konzert.

Die Lieder sind Poesie, so klingen die Worte aus ihren Seelen.

 

Seht hin, wie sie uns die  Liebe lehren,

Liebe gegen Hass und Krieg,

wie sie sich ängstigen vor „der Ruhe vor dem Sturm“,

so wie wir, die Jungen und die Alten;

wie sie verteidigen das Gute im Menschen.

 

Ja, das Gute - nicht das Schlechte und die Intrige,

die Unterstellung, das Feindliche in der Tragödie.

Hört hin, was die Liebe in den Liedern bewirkt.

Hört hin.

 

 

© Christine Biermann

Mensch, empfinde!

 

 

Setze sie behutsam ein, die Worte,  die du sprichst;

differenziere die Menschen, die dir gegenüber stehen, 

denn sie sind nicht alle gleich.

Mäßige den Ton im Echauffieren,

sonst bereust du deine Wut, wenn du ein Gewissen hast.

Ja, wenn du ein Gewissen hast.

 

Durch schlechtes Karma verlierst du dein Gesicht.

Gehe nicht an dem sitzenden Bettler vorbei;

greife in deine Manteltasche nach Silberklöter,

selbst wenn du keinen Euro mehr für deinen Einkaufswagen hast.

Und besorg` wenigstens einmal Futter für seinen Hund.

 

Stecke der alten Frau, die Leergut sammelt, einen Zehner zu,

den wirst du wohl übrig haben.

Beruhige den Klagenden in seiner Krankheit und Not:

höre ihm zu - morgen könnte es dir ebenso  ergehen.

Kaufe dem Obdachlosen die Zeitung ab, obwohl du sie schon hast, 

du kannst ihm die drei Euro auch so zustecken.

 

Sehe sie an, die Gebückten, aber blicke nicht an ihnen herunter. 

Entschuldige dich, wenn du jemandem Unrecht getan hast.

 "Ja, wenn du ein Gewissen hast."

Verhöhne niemanden, der nicht deinen Status hat;

setze deine Zeit ein, denn du hast sie als Pensionär.

Gib deiner eigenen Traurigkeit ein Lied,

verleihe deiner Stimme einen warmen Ton, damit du keinen verletzt. 

Und, verschwende deine Liebe, 

damit du sie von anderen annehmen kannst.

Mensch, empfinde!

 

 

Worte: © Christine Biermann

Bild: eni-art.de

Muttererde.

 

 

Ich hatte nie etwas zu tun mit Pflanzenkisten,

mit Holzhäuschen, wo Meisen nisten,

nie etwas mit Hängeampeln und Blumenkästen;

das machte alles ER mit seinen grünen Händen.

Ich drinnen, er draußen, so ließen wir`s bewenden. 

Nie war ich mit der Botanik vertraut,

hab ihr Kunstwerk nur fertig fassungslos angeschaut. 

Hielt nie viel von Spießbürgerlichkeit, 

der Mittelmäßigkeit, der verkitschten Zeit 

mit Gartenzwergen, Stiefmütterchen und den vorgeschriebenen Sitten,

so zu werden, hab ich lächelnd bestritten.

 

Eine Gießkannen-Witwe wollt ich nicht werden,

doch nun bin ich allein, muss mich dreinfinden und erden.

Der März ermahnt mein Gewissen

du wirst viel machen müssen:

im Garten, vorne, hinten und auf der Seite; 

die Schere dich stets begleite

um zu schneiden, was gekürzt werden muss;

sonst wirst du hadern mit Verdruss,

wenn woanders alles sprießt

und der Sprenger im Nachbarsgarten gießt und gießt.

 

Wenn sie auch von alleine wachsen

die Schneeglöckchen, die Krokusse und Narzissen;

du wirst die Keramik bepflanzen müssen

und die Fleckchen, die sich nach Wurzeln sehnen;

wollen sich entfalten und  ausdehnen.

Beruhige dich, gute Muttererde,

ich hab noch ein paar Säcke zu verstreuen,

damit alles 

werde, werde und werde.

 

 

© Christine Biermann

(11. März ´24)

Nun will der Lenz uns grüßen

 

 

Das Gezwitscher der Vögel ergießt sich wie warme Tropfen

über die Haut. Ich streife die Starre ab, reiße die Fenster auf,

fühle mich am Leben.

Hoffnungslosigkeit das Dasein betrübte;

kein Lächeln in den Gesichtern, kein Kindergeschrei;

der Winter frostig, das Geld knapp, die Sorgen übermächtig…

Und in Europa ist noch Krieg.

Immer noch.

Dort fallen die Vögelchen wie die Bomben und Raketen vom

Himmel. Das treibt uns um.

 

Hoffnung: Noch singen die Vögel bei uns…

So lange das geschieht, ist es  nicht vorbei.

Es ist ein Drahtseilakt.

Aber: sobald die Sonnenstrahlen an den Wolken kratzen und

schieben, öffnen sich die Mantelknöpfe  ein bisschen, hört

man schon die Motorräder rattern,

die Leute aus den Häusern kommen, 

welche, dick eingehüllt mit Mützen und Schals, die Straßen-

cafés besetzen, egal ob man sich infolge die weitere Grippe

holt.

 

Die Sonne will es wissen, wir auch.

Ja, ich streife die Starre ab, reiße die Fenster auf, fühle mich

gut.

Komm Leben, komm herein,

ich gehe auch wieder zu dir hinaus und bleibe den Sommer

über bei dir.

 

 

Worte: © Christine Biermann

Mein Städtchen an der Donau.

 

 

Du warst für mich immer schön, auch wenn du nach dem 

Krieg nicht so viel aussagtest, nicht so schmuck in Farbe 

standest, noch keinen Wohlstand aufweisen konntest - so 

wie heute.

Jedoch hattest du damals schon so viel Charme, dass ich 

ungern wegzog - und zeitlebens zurückdenke an dich, mei-

ne vertraute Donaustadt.

Wir Kinder brauchten noch unsere Kirche im Dorf, auch 

wenn uns die Katholische Kirche Sünden einredete, die vor 

dem lieben Gott Absolution finden sollten.

Welche Sünden?

Gar grausam war die Askese, wo wir sowieso nichts hatten.

Wenn ich heute auf die Kirchturmuhr blicke, sehe ich mein 

Kindergesicht darin.

Tausende Male ängstlich hinaufgeschaut. Kein Schüler mehr

zu sehen; der Hausmeister kehrte schon wieder vor der

Haustüre.

Zu der Verspätung kam noch der Einhalt vor der Klassentüre,

die ich erst nach Gebet und Lied öffnen durfte.

Ich denke an die Donaubrücke, auf der wir Kinder jubelnd 

standen, wenn die kohlenberußten schwarzen Männer unter 

durchfuhren, welche, die ihre Fracht zum Schwarzen Meer 

schipperten.

Wenn ich heute die Donau rieche, bin ich bei dir, meine klei-

ne Stadt. Ich bin ein Donaukind geblieben.

Dein Benediktinerkloster steht majestätisch auf dem Berg,

wo sich Häuschen weiter unten anschmiegen und ein herr-

liches Panorama bilden.

Man blickt auf die Vils-Donaumündung und die bewaldeten 

Ausläufer des Bayrischen Waldes.

Ich denke an die "aufregenden" Schulausflüge Englburg und 

die Schifffahrt nach Linz, die sich nicht über 101 Kilometer 

ausbreiteten.

Damals war die Welt noch klein.

Und wo ich herkam, war nicht auszudenken, denn da war ei-

ne Grenze dazwischen; ich kam aus der Tschechoslowakei.

Liebe Stadt, ich war noch oft bei dir.

Habe X Klassentreffen besucht und meine Erinnerungsplätze 

aufgesucht.

Das Gedicht „Mein Freund, der Sepp“, beklagt den Verfall des 

Alten aus meiner Kindheit, aber so ist es gut für die Zukunft.

Du bist an der Peripherie teilweise nicht mehr zu erkennen, 

aber deine Lage bleibt unverkennbar einzigartig.

Du kleine heilige Stadt, hast dich befreit vom Klerus; so bigott 

wie damals wirst du nicht mehr sein, gehst sicher locker um 

mit der Jugend.

Gottlos wirst du allerdings nie werden.

So ist es gut.

 

 

(c) Christine Biermann

Soldat.

 

 

Er muss in den Krieg, ob er will oder nicht.

Hüben wie drüben.

Er kann nichts dafür, er hat ihn nicht gewollt.

Er ist jung, er wollte lernen, lieben, leben.

Ja, lieben, leben....

Er wäre lieber daheim geblieben.

Er wurde eingezogen und für das Töten dressiert.

Er wurde geholt aus der tiefsten Provinz,

wo Vater und Mutter nun weinen und die Großmutter 

dazu, deren Mann in einem anderen Krieg geblieben ist.

Hüben wie drüben.

Er wird zum Töten abgerichtet, braucht Wodka zum Suff,

hüben wie drüben.

Denn, wenn er einmal drin ist im Gefecht,

dann ist ihm alles Recht.

Er weiß nicht, ob er im Panzer noch die nächste Stunde 

erlebt. Er fährt drauf zu: auf die Menschen, auf die Häuser -

nur zu. Immer draufhalten bis die Feuer in den Himmel lo-

dern, die Menschen schreien, die Verheerung eine Hölle 

darstellt.

Apokalypse.

Er kann nichts dafür, er wollte den Krieg nicht, dieses

sinnlose Zerstören, Töten, Massakrieren.

Die Verantwortlichen kann er nicht sehen, er muss immer 

nur weiter, weiter in die Verlängerung des Kriegsspiels mit

Waffen der Vernichtung.

Er wollte das nicht, aber nun ist er drin, es geht um Alles 

oder nichts.

Um sein Leben, das nichts mehr wert sein wird, auch wenn 

er rauskommt aus dem Inferno.

Niemand wird ihn nach seinen Traumata fragen, wenn die

„Friedensverhandlungen“ täuschen und nach Jahren Krän-

ze mit schleimenden Sprüchen niedergelegt werden.

Für die Toten hüben und drüben.

In Russland und in der Ukraine.

Hüben und drüben Soldat.

Er kann nichts dafür, er hat den Krieg nicht gewollt.

Er war jung, vielleicht ist er tot, oder blind, oder amputiert 

aber untauglich für`s weitere Leben - ganz, ganz gewiss...

Haben wir alles schon gehabt.

Nichts dazu gelernt.

 

 

(c) Christine Biermann

Sie.

 

 

Ein Kleinod ist ihr eigener Film,

verborgen in ihrem Innern.

Jetzt weilt sie täglich irgendwo.

Die Bänke gehören ihr, sie laden sie zum Bleiben ein.

Die Musik im Ohr spielt nicht mehr so viel Fado; viel 

mehr lässt sie die Noten im Walzer tanzen.

In ihrem Herzen ist Poesie.

Sie sieht von ihrem Platz aus die Alten, die Jungen, die 

Schwachen, die Invaliden, Menschen aller Nationalitäten,

die Kinder, die Mütter, und sie fragt sich, was ihnen be-

schieden ist, was ihnen noch bevorsteht im Leben.

Flitz, flitz, Momente wie der Blitz, alles geht an ihr vorüber: 

Kinderwagen, Rollatoren, Rollstühle, in denen oft noch jun-

ge Menschen sitzen, sie bedauert die Gebückten, die ihre 

Last kaum tragen können.

Alles sieht sie mit Verinnerlichung.

Sie ist nicht mehr jung, aber sie fühlt sich nicht alt.

Sie hat viel Liebe erhalten, sie hat keine Not.

Ja. In ihrem Herzen ist Dankbarkeit und Poesie.

 

 

(c) Christine Biermann

Immer ein Flüchtling.

 

 

Eine Zypressenhecke umarmte weithin den Park, indem die Villa stand;

wir waren Flüchtlinge aus dem Sudetenland.

Von vierzehn Zimmern in dem Haus, hatten wir zwei bekommen,

Mutter, Vater, Kind, bald auch den Großvater zu uns genommen.

Parkettfußboden, Filzpantoffel, immer untergeordnet ergeben,

Kindergeburtstage musste ich ohne Freundinnen erleben.

Wir waren arm, doch ich, noch eingebildet naiv, fühlte mich als 

„etwas mehr“,

kam ich doch immer über den Kiesweg von der Villa daher.

Die Mami war schön, der Vater war groß, 

ich wohnte stolz in dem elitären Märchenschloss.

Mami schrieb für die Kinder Theaterstücke, welche sehr gehoben, 

dafür durften die Kleinen einmal im Jahr in der Villa basteln und

proben,

nur nicht toben.

Der Hausherr hatte noch Pferde und eine Ziegelei, 

nach fünf Jahren baute er sich frei, indem wir ein klammes Häuschen 

beziehen mussten,

Opa war`s kalt, er fror sehr leicht; er zog zum Sohn mit seinem Husten.

An diese Zeit denke ich, wenn Flüchtlinge ohne Habe um Obdach bitten, 

denn auch wir wohnten lange bescheiden, haben unter der Enge gelitten; 

jahrelang gespart und bezahlt. Jetzt sind wir „die Alten.“

Unsere Generation hat wohl deshalb so lange ehelich zusammengehalten.

Mel meinte:“ Die Villa ist halt ein Haus“,

stimmt, es sieht heute schäbig aus.

Die Eleganz ist ganz verschwunden,

die Heckenpracht brutal geschunden….

und schal wird die Erinnerung an die Reichen:

Die Villa muss einer Wohnanlage weichen.

Nur das Gefühl, arm zu sein, prägt sich noch von früher ein.

 

Ganz ehrlich? Irgendwann gehen wir wieder ohne Geld,

mal reich, dann arm,

wir Flüchtlinge dieser Welt.

 

 

(c) Christine Biermann

Mein Freund, der Sepp.

 

 

Lieber Sepp,

ich bin noch auf der Welt,

muss zusehen, wie dein Sägewerk zerfällt,

ich bin die einzige, die um dich weint,

es ist keiner mehr da, wie es scheint.

Sepp, deine Nummer steht noch im Netz, es ist eine Vision,

denn du bist 2o Jahre tot und kannst nicht mehr ans Telefon.

Sepp, ich höre noch die schrillen Töne in unseren Kinderohren,

wenn Baumstämme auf den Loren,

zersägt von dem geschwinden Blatt mit den scharfen Zähnen

die Luft puderte mit Sägespänen.

Die Bretter wurden gestapelt und hoch getürmt,

wir Kinder haben die Gipfel gestürmt-

und du, Sepp, hast uns die Freiheit gelassen,

wir mussten nur auf uns selbst aufpassen.

Im Sommer wurden wir oft in den Wald mitgenommen

im Bayrischen/Böhmischen hast du das Holz bekommen.

Von der Ladefläche runter in dein Führerhaus,

so fuhren wir harzbefleckt mit den Stämmen nach Haus.

Sepp, du gabst uns immer Freude am Kinderleben,

hast uns sogar dein Paddelboot gegeben:

„Aber rudert`s nur bis zum Viadukt, sonst wird`s gefährlich“,

das haben wir eingehalten, wir waren ehrlich.

Wir durften in der Wolfach fischen,

die Fänge braten, sie in der Bauernküche auftischen.

Wir waren gern gesehen bei Muttern, 

lernten bei ihr den Rahm mit der Zentrifuge buttern.

Und wenn es regnete an manchem Sommertag,

fanden wir immer einen Bretterverschlag,

der uns vorübergehend nützte,

dann sprangen wir in die Pfützen bis es spritzte.

Wenn die Baumstämme dampften nach dem Regen,

kam uns Harzgeruch entgegen,

der unsere Lungen aromatisierte wie Menthol;

bei Sonne, Wind und Regen fühlten wir uns gesund und wohl.

Sepp, du konntest immer mein Heimweh ermessen,

hast mich gemocht, auch nie vergessen.

Deshalb bist du oft mit mir in den Himmel geflogen,

denn du warst Flieger, zeigtest mir meine Heimat von oben.

Sepp, ich war noch bei dir, doch du hast mich nicht mehr erkannt.

Lieber Freund, die Zeit verrinnt nun im Sand.

Die Blümelmühle stürzt ein, ich war kürzlich da,

da dacht ich an dich, wie schön es mit uns war-

und, dass sich alles mit der Zeit vergisst,

so, als wenn nie was gewesen ist.

Lieber Sepp, ich bin noch eine, die an dich denkt.

Du hast mir meine Kindheit geschenkt.

 

 

Worte: (c) Christine Biermann

Bild, unten: Mark Keathley

Der Dieb.

 

 

Ein kleines Häuschen, zentral gelegen,

für die dort Wohnenden ist das Haus ein Segen.

Die U-Bahn fährt zum „Tor der Welt“;

man kann schon sagen: es gefällt.

Wir sind ein Teil dieser alten und neuen Generation,

wir wohnen da über 4o Jahre schon.

Jung waren wir, von Freunden umworben.

Inzwischen sind wir alt geworden.

Lange Wege werden weit,

und alles mündet in Bescheidenheit.

Frau managt den Tag, der Mann kann nicht mehr,

das Auto aber fährt noch ER.

Auch in der alten Ehe fällt irgendwann die Note:

Frauenquote:

Geändert hat sich`s wesentlich,

denn das, was Männersache war, das bin jetzt ICH.

Zum Beispiel: Frauenpower Rasenmähen.

Gestern, als der Strom im Haus das Kabel belebte,

den Rasenmäher zum Schneiden anregte,

die Haustüre halb offen stand, der Steckdose wegen,

schlich ein Dieb in das kleine Häuschen,

das so zentral gelegen,

an der U-Bahn, zum „Tor der Welt“

die sich gut bewährt, und auch Gauner mit Diebesgut fährt.

Mit Geld und den Inhalten, was schwer zu bekommen,

alles aus der Handtasche, hat er mitgenommen.

Das Angebot war leichtsinnig am Stuhl platziert, klar,

die „Gelegenheit macht Diebe“ ist deshalb schnell passiert.

Da plagt mich das Gewissen,

I h n nicht, denn er war sehr geschwind, geübt und gerissen.

Die Fortsetzung dieser üblen Gaunere

war die Schadensbegrenzung bei Bank und Polizei.

Nervenaufregend das Sperren der Kontokarte;

die Nummer gewählt: ich warte und warte.

Die Computerstimme bellt Befehle, doch es mag nicht gehen!

Sie wiederholt: “ Ich kann Sie nicht verstehn, 

ich kann Sie nicht verstehn.“

Am nächsten Tag stehe ich morgens am Rathausportal

möchte ins Ortsamt, als Bürger sozial,

doch zwei Wachen stehen davor: „Haben Sie einen Termin?

“ Den hab ich nicht, aber es ist dringend, ich bin alt und 

schließlich Steuerzahlerin.

Meine Worte an der Macht abprallen:

Alte Frau, du bist aus der Zeit gefallen.

Später, der Bankbeamte meint, ich sollte warten,

mein Portemonnaie liegt sicher irgendwo in einem Garten… 

aufgeweicht, ausgeraubt und träge,

es sicher bald im Briefkasten läge.

Wozu Ausweiskarte, Führerschein ?

Der Angestellte dachte, ich lebe im Altenheim.

Zurück wieder in unserem Häuschen, so zentral gelegen,

kriminell entweiht, so gemein und verwegen,

an der U-Bahn zum „Tor der Welt“!

Wer weiß wo er hin ist, der Halunke mit meinem Geld.

„Du sollst nicht stehlen“ hat leider nicht gewirkt,

in seinem Kopf Kriminelles sich verbirgt.

Gut, das Geld ist weg, die Karten auch,

was einmal war, stieg auf in Rauch.

Beklaut, diskriminiert frage ich des Alters wegen:

„Bin ich noch geschützt im Häuschen, das so zentral gelegen?

Besser, ich fang noch mal von vorne an

mit Glaube, Liebe, Hoffnung und meinem lieben Ehemann.

Will der modernen Welt zaghaft Vertrauen schenken,

doch vorher möchte ich mein Selbstmitleid noch in Tränen ertränken.

 

 

(c) Christine Biermann

Das Glas.

 

 

Das Glas ist nicht mehr halb voll, man sieht schon 

den Grund,

wir sind betagt, gottlob noch gesund,

so gesund, dass wir das Leben genießen vital,

noch motiviert, eigenständig und sozial.

Unsere Kinder halten uns am Bewegen,

sie mischen uns auf, sie laden uns ein,

„For ever young“ ist ihr Bestreben

Gott, lass es noch nicht anders sein.

Die Zeit verrinnt wie der Sand in der Uhr.

Wir bewegen den Geist,

sind dennoch nur

wie das welke Laub in der Natur.

„Lauf der Zeit“, wie es schön heißt.

Wir kämpfen dagegen,

wir rätseln und lösen und hören Kultur.

Wir spielen Schach, damit sich die müden Hirnzellen regen.

Anscheinend reime ich von morgens bis abends nur.

Und ist das Glas fast leer?

Man lässt es so stehen, zögert hinaus den Rest

und trinkt es erst, bis es sich nicht mehr vermeiden lässt.

Denn, fragt man nicht mehr nach dem Lebenssinn,

trinkt man es aus, bis nichts mehr drin.

 

 

(c) Christine Biermann

Friedhofsbank.

 

 

Schäfchenwolken die Sonne necken,

indem sie Strahlen senden, dann wieder verstecken.

Die Vöglein jubelnd musizieren,

dem Lenz ein Loblied präsentieren.

Während Blätter ihre Neuheit zeigen,

Äste sich sanft mit dem Winde neigen,

tanzen Mücken ihren Reigen.

Das Löwenzahnblümchen, gelb auf dem Wiesengras,

bald wieder Pusteblume, ein Wunder ist das.

Das Parfüm verteilt sich in den Lüften,

ragt hervor mit Fliederdüften.

Und dort, auf der Friedhofsbank beim Vogelbeerbaum,

findet mein Herz seinen friedlichen Raum.

Ja, ich spüre meine Trauer kaum,

denn näher bei dir, kann ich nicht sein.

An diesem Ort sind wir allein.

 

 

Worte & Foto: (c) Christine Biermann

Armer reicher Mann.

 

 

Der alte Mann genießt den edlen Wein;

der Luxus rundherum ist SEIN.

Teure Gemälde an den Wänden hängen,

geheime Werte sich im Safe drängen:

Gold, Münzen, Edelsteine,

alles was teuer ist, ist auch das SEINE.

Er besitzt Aktien und Börsengelder

als bewegliche Plus - und Minusmelder

mit denen er spekuliert,

meistens gewinnt, selten verliert.

Er kann den Reichtum kaum ermessen,

braucht Finanzberater, die von seinem Gelde essen.

Neider, die sich schmeichelnd an ihm laben,

würden den Besitz gern selber haben.

Den Frauen, die ihn finanziell ausgenommen

ist er spät draufgekommen,

wie sie eiskalt ihn belogen…

Er blieb dennoch reich, wenn auch übel betrogen.

Nachkommen, die ihn beerben,

warten Jahr für Jahr... auf sein Sterben.

Es sind die, die ihm zu Kreuze kriechen,

und ihren Vorteil dadurch riechen.

Der alte Mann, das rechtzeitig erkennt;

er ändert ständig das Testament.

Am liebsten würd`er alles spenden,

die Heuchelei dadurch beenden.

Er denkt und fragt im Nachhinein:

"Musste so viel Reichtum sein?"

War d a s das Glück in seinem Leben?

Am Ende muss er alles geben,

was für die Erben er gekauft…

und sieht im Geiste, vom Wein schon berauscht,

wie sich die Meute um den Nachlass rauft.

 

Ganz ehrlich? Arm sterben ist gar nicht so schlecht,

denn, wer dann um dich weint, der meint es echt.

 

 

(c) Christine Biermann

Als im Zug noch Menschen reisten.

 

 

In München Gleis 18 stand schon der Zug.

Der schönen Tage war`s genug

als mein Sohn mit mir – etwas in Eile

suchte im Wagen das Abteile.

Zwei Reisende mir Platz gewährten,

sie wurden über 6 Stunden meine Gefährten.

Gefühlvoll der Abschied war getan,

der Zug, er fing zu fahren an.

Um die Mutter war ´s geschehen,

sie ließ den Bub am Bahnsteig steh`n.

Ich beäugte die feine Dame, mein Gegenüber,

ihr teures Gepäck im Netz darüber.

Sicher aus Blankenese, so höchst elegant;

sie lächelte mir zu charmant.

Und der junge gutaussehende Mann,

der kam aus Pakistan.

Zuerst noch schüchtern fremd,

die Konversation noch steif gehemmt

ordnete sich allmählich das Sitzgewirr,

schon klapperte der Kellner mit dem Plastikgeschirr.

Er bot: Kaffee, Tee, Kakao, Semmeln mit Wurst!!!

Ja, da meldeten sich Hunger und Durst.

Er reichte mir das Gewünschte mit einem Getränk.

Sogleich fiel mir der Becher aus dem Gelenk,

weil der klappbare Tisch nicht wollte,

was er hergeben sollte.

Nur ein bisschen Kaffee - aber gefühlte Liter

wie aus der Kanne,

dünkt` mir der Boden nass wie in der Badewanne.

Der Mann stand auf, eilte zum Klo,

kam mit Papier und Taschentüchern von irgendwo.

Die Nässe war schon arg verschwommen,

da hat die Dame den feinen Stockschirm genommen,

wischte hin und her mit dem Papier

bis der Boden wurde trocken schier.

Erst war`s peinlich, dann war`s heiter,

denn es ging ja lachend immer weiter.

Der Mann verschwand mit der getränkten Mülle,

brachte mir einen Becher mit erneuter Fülle,

dem Kaffee, den ich doch so gern wollte,

während der Zug weiter lustig nach Hamburg rollte…

Die Dame kam tatsächlich aus Blankenese,

der Mann war Angestellter im Senat.

Und was sich sonst noch auf dem Bahnsteige in Hamburg tat?

Ich zeigte temperamentvoll auf meinen Mann,

„Mein neuer Freund“ lachte:

„Die Frau gleich nebenan,

gehört zu mir, sie ist auch aus Pakistan".

 

Diese Reise werd´ ich nie vergessen,

da haben noch richtige Menschen

ohne Laptop im Zug gesessen.

Er hat mir noch viele Karten geschrieben, 

die Erinnerung an Bashir ist bis heute geblieben.

 

 

(c) Christine Biermann

Auf dem Mond.

 

 

Wie all die Jahre schon,

vermeide ich beim Geldauszahlen die Automation,

indem ich die Scheine an der Kasse,

von einer Dame auszahlen lasse.

Man will bald unbar Geld verwalten,

den Blick darauf ganz ausschalten.

Sparstrümpfe sollen wie Motten ans Licht,

nun, so weit sind wir noch nicht.

Der Leiter der Bankfiliale,

will mit mir ins Digitale.

Es wird ihm nicht so leicht gelingen,

mich online dazu zu zwingen,

digital alles zu ordern,

um meine Rente auf`s Netz zu fordern.

Der Mann beteuert,

dass es sich für mein Alter lohnt,

zugleich wünscht er mich „Greisin“ auf den Mond.

Dem Onlinebanking nochmal entkommen,

stelle ich fest ganz benommen,

dass man von mir auch erwarte,

dass ich bezahle nur noch mit Karte.

Auch das widerstrebt meiner Gewohnheit,

nämlich der Sicherheit,

Scheine im Portemonnaie zu haben,

um nicht am Hungertuch zu nagen.

Zu leicht blendet mich eine Karte,

von der ich erwarte,

einen Rest vom Konto zu bemühen,

und möglich nicht zu überziehen.

Nun gut, der Fortschritt holt mich ein,

ich werde demnächst „digitalisch“ sein.

Vor dem Automaten machte ich immer einen Bogen;

ich habe noch nie Geld gezogen.

Doch bin ich jetzt geschockt verdrossen:

Ab Mai sind alle Kassen geschlossen.

 

 

©  Christine Biermann

Verkanntes Genie.

 

 

Mir träumte, dass papierene Bällchen in sanften Wogen

mit gedichteten Worten vom Himmel flogen.

Der geflügelte Inhalt auf dem Papier

war natürlich von mir.

Doch kein Finder hob sie auf,

machte sich einen Reim daraus.

Ja, denkt die Traumdeuterin, die ich selber bin,

deine Reimerei macht sicher keinen Sinn,

sie wird keinen interessieren,

wirst du sie nicht publizieren.

"Eine Öffentlichkeit kann ich mir nicht leisten,

man würd` mich vernichten wie die meisten,

die nicht im Pen-Club registriert

und von Lektoren integriert."

„Und der Grund deiner Dichterirrung?

Was willst du eigentlich mit der Verwirrung,

die weder Wünsche erfüllt

noch deine „des Lobes-voll-Sehnsucht“ stillt?“

Das ist es ja, dass ich keinen habe,

der meine Gabe, sei sie noch so gelind,

mir ist ein bisschen gleichgesinnt.

Eine kleine Runde mit Schreibern, die ihre Gedichte vorlesen,

nur zur Freude, fern vom Verlagswesen.

Gut, es wäre schön, wenn meine Familie, von Neugierde getrieben,

fragen würde: „Hast du wieder ein Gedicht geschrieben?“

Doch leider ist keiner von den Lieben lyrisch interessiert,

das macht mein Wunschdenken so kompliziert.

Ab und zu kann ich mich in ein Thema zwängen,

und dazu etwas von mir aufdrängen.

Die Resonanz hinterher kommt nicht auf die Beine,

ganz einfach, es gibt nämlich keine.

Christinchen träum` weiter von der Illusion,

von dem Applaus und der Standing Ovation.

Ganz ehrlich?

Wenn ich auch nicht aale im Dichterbade,

meine Geister suchen Reime weiter,

mal düstere, mal welche heiter….

und das ist mental nicht schade.

 

 

(c) Christine Biermann

Witwensommer.

 

 

Es ist heiß, es regnet nicht, es staubt;

in der Hitze niemand an den Winter glaubt.

Meine Gartenblumen gleichen Wüstenpflanzen,

die ich begieße, welche dann, im Großen und Ganzen,

belebt und wieder auferstanden sind.

Ebenso mein Gemüt, das gemächlich ist, dann wieder geschwind..

auf zwei Rädern flitzt wie der Wind -

und von zwei Füßen wird getragen

durch diese Vielfalt von Sommertagen.

Noch nie wurd` ich von der Natur so umfangen,

noch nie bin ich mit einem Wunder so umgegangen.

So glücklich und dankbar bin ich für das Leben,

das mir der Witwensommer hat gegeben.

Musik in den Ohren auf der Bank, der meinen,

denk ich an ihn, komm` ein bisschen ins Weinen,

jedoch empfinde ich, statt leerer trauriger Hülle,

glückselige Herzensfülle.

 

Mögen die Sommertage lange bestehen…

Hab` bereits trockene Blätter von Bäumen tanzen seh`n.

 

 

(c) Christine Biermann

Das katholische Kind.

 

 

Bigotter Gehorsam war dem Klerus geschuldet,

und von uns Kindern von klein auf erduldet.

Wenn Pfarrer Böckl, der gestörte,

uns Kinder im Beichtstuhl verhörte,

was für uns Kleine grässlich,

ob die Sünden schwer waren oder lässlich.

Er lockte Geständnisse aus uns Zwergen;

wir hatten wahrlich nichts zu verbergen.

Mit List konnten wir uns überwinden,

harmlose Sünden zu erfinden.

Manch lange Buße, die auf mich gekommen,

hab ich mit nach Haus genommen.

Nun, bigott bin ich nie gewesen,

aber mein braves Wesen

richtete sich nach der Obrigkeit,

denn mit Auflehnen kamen wir nicht weit.

Außerdem kannten wir so was nicht.

Demütig in Geduld und Verzicht,

stampften wir tapfer durch Kälte und Schnee;

im Warmen taten die Finger weh.

Ja, Demut wurde von uns verlangt,

Wehleidigkeit aberkannt.

Wenn ich an die Schulmessen denke,

an die Herrgottsfrüh und die Kirchenbänke,

wo wir knien mussten in den Reihen,

hungrig und durstig, das war schon Kasteien.

Ganz ehrlich?

Was Gutes hat die Askese schon.

Wenn`s schwer wird, lauf ich nicht davon.

Auch wenn mir nicht viel bliebe,

hätte ich noch meine Nächstenliebe.

Ich beziehe Gott aus dem Herzen,

ab und zu Kirchgang, Weihwasser und Kerzen.

Andersdenkende nie ich bekehrte,

lebte allein die christlichen Werte.

Innehalten im Gotteshaus,

das In-sich-kehren, das macht schon was aus.

Da die Christen von heute kaum noch gläubig sind,

ruht in mir noch das katholische Kind,

lässt Gott in seine Seele schauen,

wenn die Sorgen hohe Berge bauen,

denn, wohin soll es hin mit seinen Fragen,

wenn Menschen ihm nichts mehr zu sagen haben!

Gott ist meine letzte Instanz,

entzogen habe ich mich seiner nie ganz.

Im Glück brauchte ich ihn nicht,

doch im Dunkeln zeigte er mir immer sein Licht.

 

 

(c) Christine Biermann

Mein Zahnarzt.

 

 

Kein Mann kommt mir so nah wie er,

keiner tut mir so wehe.

Da hilft auch keine Gegenwehr,

seine Professionalität geschehe!

Trotz allem bin ich mit ihm verbandelt,

er ist ein Profi ganz gewiss,

auch wenn er mich im Mund misshandelt,

er wird es richten, das Gebiss.

Er feilt und bohrt, er spritzt und spült,

der Bohrer sägt, es klingt dramatisch,

mein Innerstes ist aufgewühlt,

die Spritze wirkt, ich werd` apathisch.

Obwohl er mich so lange kennt,

wir finden einfach keinen Draht;

ich weiß nicht, was er von mir denkt;

gediegen ist er, wie ein Hanseat.

Ein Verhältnis bleibt ambivalent,

wenn es persönlich nicht freundlicher wird.

Man ist nur Kassenpatient,

was von daher, zu nichts Privaterem führt.

 

Und die Moral von dem Gedicht:

Mit offenem Mund spricht man auch nicht.

 

 

(c) Christine Biermann

Mein Schneckenhaus.

 

 

Seit dem Corona-Jahr erhitzen sich die Gemüter,

denn es gibt Zweifler, Demonstranten,

Gehorsame und Gesetzeshüter.

Die Menschen leiden, kämpfen, streiten, drohen, schimpfen,

ob es um den Lockdown geht, die Masken, das Testen oder das Impfen.

Die Spaltung unter Freunden wird schon kritisch,

das Verhalten in der Gemeinschaft ist kosmopolitisch.

Kann man sich für etwas nicht gleich entschließen,

fangen Gegner an verbal zu schießen.

Willst du nicht ihrer Meinung sein,

kriegen sie dich dumm und klein.

Und bei Erklärungsnot, sobald Ausgrenzung droht.

Diskussionen auf Messers Schneide, ich mit Sanftmut vermeide,

indem ich versuche auszugleichen

und die Kontrahenten zu erreichen.

Genervt von den ewigen Widersprüchen, den Diskussionen, 

den Wutausbrüchen ziehe ich mich zurück wie eine Schnecke...

In mein Häuschen, das mich schützt in der Ecke.

Dort, mit mir selbst im Reinen,

bin ich bei mir, muss da sein für keinen.

Irgendwann komme ich raus, breite weit meine Arme,

wenn ich der Welt wieder gut bin, herzlich und warme.

 

 

(c) Christine Biermann

Der greise Schritt

 

 

Anfangs ist es Vergesslichkeit die amüsiert,

was hie und da mal so passiert,

wenn man kopflos aus dem Haus geeilt,

ziemlich lang im Kaufrausch weilt,

getroffen wird von jähem Blitze,

das Blut, es lodert hoch, zur Hitze,

sich überhaupt nicht sicher ist,

ob die Herdplatte aus ist, oder nicht.

Oder: Ist der Stecker auf dem Bügelbrett lose,

hat man ihn rausgezogen aus der Dose?

Ob Kontrollzwang oder nur Unachtsamkeit,

meist ist der Altersweg noch weit.

Anders die Krankheit, die wir beim Namen nennen,

die Gedächtnisstörung, die wir kennen,

die man bemerkt, erst in kleinen Schritten,

nach kurzer Zeit ist sie fortgeschritten.

Es beginnt, wenn er, der Gemeinte, 

einen Hergang nicht mehr erklären kann,

Termine verwechselt, wo und wann,

und wenn alle reden und er bleibt stumm,

ihn kaum interessiert das Drumherum.

Da viele Stimmen er nicht mehr duldet,

meint er, das sei seinem schlechten Gehör geschuldet.

Kein Tischgespräch findet mehr statt;

er löffelt bis er satt,

lächelt mir noch lieb zu,

dann geht er in die Mittagsruh.

Ich kann mit ihm nicht diskutieren,

er lässt sich überhaupt nicht kritisieren.

Die Wesensveränderung lässt sich nicht beheben,

wir lieben uns trotzdem und müssen damit leben.

Er braucht mich wie das tägliche Brot,

ich bin seine Stütze in der Not.

Den Ausgang kann man nicht manipulieren,

auch mir kann dasselbe passieren.

Das Alter ist eine riskante Lebenszeit,

zum Glück sind wir beide noch zu zweit 

und können einander noch ALLES geben.

Was sagte der Wortkarge soeben?

„Du bist meine Liebe, ich könnt ohne dich nicht leben.“

Lassen wir uns vom Schritt ins greise Alter treiben,

was andres wird uns nicht übrig bleiben.

 

 

(c) Christine Biermann

Der greise Schritt, zweiter Teil.

 

 

Der alte Mann in der Geriatrie zweiter Klasse

hält zitternd die heiße Schnabeltasse

an seine wunden Lippen,

er kann nicht viel trinken, nur daran nippen.

Sein Gesicht ist immer noch schön,

nur schmal ist es, die Augen blass, das kann man seh`n,

auch die Schläuche, die seine Lungen beleben,

ihm Sauerstoff zum Leben geben.

Das Herz, es bemüht sich im Takte rege,

Körper und Geist ruhen apathisch träge.

Die alte Frau, der alte Mann -

halten sich ganz fest an den Händen,

wortlos sie sich Gefühle spenden.

Das greise Alter ist angebrochen;

sie haben sich ganz fest versprochen,

dass - egal - wer von den beiden,

es nicht zulässt unwürdig zu leiden,

so wie es in der Patientenverfügung steht,

das heißt, wenn es überhaupt nicht mehr geht.

Glaube, Liebe und Hoffnung sei ihr Bestreben,

vielleicht bleibt doch noch gemeinsames Leben,

das kostbar sein würde jede Minute, jede Stunde

bis zur letzten Sekunde.

 

 

(c) Christine Biermann

Am Leben dran.

 

 

Sie hört Jazz, dann wieder Klassik und Blues.

Sie stürzt sich in Fado, ertrinkt in der Musik.

Sie schreibt Texte in Noten,

denn sie hat Zeit…

und doch hat sie keine.

Sie ist allein und dann wieder nicht.

Sie braucht nicht viel Schlaf,

das macht ihr nichts aus;

sie schwebt zwischen Tag und Traum

im Zwischenraum.

Ein Jahr auf der Friedhofsbank mit ihren Gedanken,

die sie abhoben und schweben ließen,

wie die Federchen der Pusteblume.

Will sie die Bank verlassen? 

Sie weiß es selbst noch nicht.

Sie ist am Leben dran...

und doch wieder nicht,

sie ist glücklich, was dem eben Gesagten widerspricht.

Ja, sie weiß alles noch nicht.

Nur der Augenblick zählt für sie.

 

 

Worte & Foto: (c) Christine Biermann

Mozartkugeln.   

 

 

„Brösel kleben an deinem Mund

du sollst nicht so viel Kuchen essen

Zucker ist so ungesund

hast du das schon vergessen?“

 

Verführt von den Teufelchen, den bösen,

von den Glucosen, die bis in die Adern dringen,

möchte ich mich von der Sucht erlösen,

dem Blut cleane Werte bringen!

 

Nur, ich versteh die Welt nicht mehr,

nie mehr zum Konditor gehen dürfen oder in die Confiserie

wo`s gibt die Mozartkugeln in Zellophan,

die Pralinen, die zublinzeln mit Koketterie,

die Kügelchen, Riegel, Sterne und Torten aus Marzipan???

 

Darf ich alles nicht mehr von diesen Konfekten, 

die in Zucker getränkten Sachen,

die süßen Schädlinge, die direkten?

Muss ich alles lassen?

Nur vier Gramm Zucker dürften`s sein,

die produziert allein mein süßes Wesen,

das war ein Witz, der darf mal rein.

 

Gut, all den süßen Überflüssen,

die die heutige Zeit kreiert,

den klebrigen schokoladenen Übergüssen

sei Kritik angesagt, das Unmaß an Zucker korrigiert.

Bleibt noch die Euphorie für Schokolade,

die überkommt so hin - und wieder.

Die verbotene Lust liegt ganz hinten in der Lade,

greif sie dir, gier sie auf, 

danach: 2o Liegestützen auf und nieder.

 

Ganz ehrlich?

Man muss mitnichten auf alles Süße gleich verzichten.

In der Mäßigkeit liegt die Moral, sündigen kann man

dann schon mal. 

 

 

© Christine Biermann

Weniger ist mehr.

 

 

Für einen, der pausenlos telefoniert,

wird das Reden zum Ego- Wahn,

nämlich, wenn er es anwendet ungeniert...

auf der Straße, in der Kirche, am Zebrastreifen, in der Bahn.

Wenn er vom Phon-Kontakt so fasziniert,

dass er`s nicht mehr lassen kann,

sich präsentieren muss in der Menge,

wird`s schlimm für den Nebenmann,

der kritisiert die Quassellänge.

 

Es gibt auch welche, die nicht so digitalisiert,

lieber gedanklich für sich kommunizieren,

und an Freundschaften sind interessiert,

sich nicht an Inhaltslosem ausprobieren.

So eine Nummer "muss man nicht,

aber man kann"

sie anrufen...

irgendwann.

 

 

(c) Christine Biermann

Die Heimsuchung.

 

 

Flüsse steigen, sie fluten die Täler, vernichten die Häuser, ertränken

die Menschen.

Eisberge weinen, Meere füllen sich, Lebensraum versinkt in den Fluten.

Die Berge speien Lava, Feuerwalzen begraben alles.

Stürme entwurzeln Bäume, entblößen Dächer, versenken Schiffe.

Tsunamis wüten in den Meeren, verschlingen die Küsten mit gierigen 

Wellen.

Wälder brennen, Landstriche verkohlen.

Wüsten werden zu Wanderdünen, Dörfer und Städte versanden.

Die Erde ist heiß, Wasser verdunstet, Menschen hungern, dursten und 

fliehen.

Epidemien verteilen unsichtbare Dämonen auf die Menschen aller 

Nationen.

Doch noch viel Schlimmeres steht uns bevor, denn verfolgt von Hunger, 

Krieg und Not stehen Flüchtlinge an unseren Grenzen, wir nehmen sie 

auf, und wissen nicht, was weiter geschieht.

Der Krieg in Europa treibt uns um. Erst wollten wir das Klima schützen, 

nun schauen wir sorgenvoll in die Lüfte, Sirenen wie Blitze durch die Kör-

per zucken...

Die Erde wehrt sich, ihr droht ein Desaster, doch die Kriegsgefahr hat 

Schwergewicht.

Der Mensch, so traumatisiert, wie soll er leben mit der Angst, wo neben-

an die Menschen sterben, die Gifte in den Himmel steigen, Krankheit und 

Not die Seelen fressen.

Soll man noch ein Bäumchen pflanzen? Stiefmütterchen setzen? Trotzen 

wie das Schneeglöckchen in der noch gefrorenen Erde??

Müde über Achtzig, sind unsere Tage abgezählt, deshalb beten wir in uns 

hinein: für den Frieden der Generationen, für die ganze Welt und die 

Schwachen.

Und ich, die auch ängstlich vor allem steht, ich lasse in meine Haare ein 

paar sonnige Strähnchen machen.

 

 

Erzählung: (c) Christine Biermann

Bild: freeyork. org

Knopf im Ohr.

 

 

Kürzlich fuhr ich von HH nach München für zwei Wochen,

saß mit vier jungen Menschenkindern im Abteil,

fühlte mich von ihnen angesprochen,

bevor ich begriff nach einer langen Weil`,

dass ihre Plaudereien, die über einen Knopf im Ohr verbunden,

nicht mir galten über sechseinhalb Stunden.

Wie das böige Blätterlaub, so purzelten die vielen Namen durcheinander,

bald kannte ich sie alle: die Emma, die Greta, den Nikolaus und Alexander.

Ein anderer über seinem Laptop saß,

Zeit und Mitreisende vergaß;

die Tastatur seit Hamburg schon,

textete vermutlich seine Dissertation.

Sein Verhalten war schon sehr vertrackt:

8oo Kilometer kein Blickkontakt.

Sollt` ich nehmen die verwegene Hürde,

ob er mir am Ziel den Koffer aus dem Netz hieven würde?

Da zeigte er sich erkenntlich: Selbstverständlich.

 

Die Reise war schön, trotz der Introvertierten,

die sich nicht im Mindesten für mich interessierten.

Echt jetzt?

Die neue Zeit macht mir nichts aus. Meine Seele hat eine Hülle 

mit Interessen, Glück, Musik, Liebe und Lebensfülle.

Ich schaue ins Buch und blicke aus dem Fenster, sehe 

Deutschland in fliegenden Bildern, 

später werden mir die Erinnerungen die aufregende Reise schildern.

 

 

(c) Christine Biermann

Bedeutungslos in der Menge.

 

 

Es ist schon viele Jahre her, als sie sich nach längerer Zeit 

wieder einmal nach Hamburg wagte. Diesmal ohne Beglei-

tung, das sollte doch auch gehen.

Schon in der U-Bahn blickte sie auf die ausdruckslosen Ge-

sichter der Passagiere. Kein Lächeln, kein Zunicken, keine 

Beachtung. Gefühle gehörten dem Smartphone, dem An-

sprechpartner irgendwo im digitalen Luftraum.

Hemmungsloses Plaudern in dem überfüllten Bahnabteil,

nur nicht zum Gegenüber.

Sie fühlte sich wie ein Nichts in der Menge, und sie war es 

auch unter den Neuzeitmenschen.

Es lag gewiss nicht am Alter, denn auch die Leute ihres Et-

wa- Jahrgangs sahen durch sie hindurch. Finster, unfreund-

lich mit der Welt. Egal.

Was wollte sie eigentlich in Hamburg?

Sie kannte sich einmal aus, arbeitete in der Innenstadt, hat-

te einen Hanseaten geheiratet. Die Kinder sind auch dort 

geboren.

So allein merkte sie, dass sie ohne Familie und Freunde in

einem Nichts untergeht, nur nicht daheim in ihrem Umfeld, 

das sie sich geschaffen hat mit ihrem Mann. Dort am Lande, 

provinziell, erdverbunden.

Als sie am Alsteranleger stand und sich ein bisschen „aus 

der Zeit gefallen“ fühlte, hörte sie ihren Namen in verzär-

telter Form.

Es war eine Freundin, die sie länger nicht gesehen hatte.

Sie umarmten sich, nutzten die Zeit und tranken in ihrer 

Mittagspause im Alsterpavillon Kakao.

 

Sie blieben von da an miteinander verbunden. An einem Tag 

in Hamburg, als SIE sich in der Menschenmenge so bedeu-

tungslos fühlte.

 

 

(c) Christine Biermann

All you need is love.

 

 

Unruhe die Welt umfasst,

kein Rädchen mehr ins andre passt.

Corona, das Klima, der Machthunger, die falschen Entschlüsse;

in Europa fallen wieder Bomben, Raketen und Schüsse.

Wir Alten haben das schon erlebt,

denn viele Kinder, die im Krieg geboren,

haben die Väter im Feld verloren.

Zerrüttet von dem Grauen, das damals passierte,

waren es die Mütter, deren Leben traumatisierte.

Dann der Kalte Krieg:

Ungarn-Aufstand, Kubakrise, Nahostkonflikt,

Kriegsschiffe im Mittelmeer,

aufgerüstet der Pakte Weltenheer.

Panzer in der Tschechoslowakei,

die Angst vor dem 3. Weltkrieg war immer dabei.

Aus Furcht hat das keiner ausgesprochen, 

der fast am Schicksal wär zerbrochen.

Nie wieder Krieg! Man redete darüber nicht viel;

junge Menschen hielten Krieg eigentlich für ein Computerspiel.

Nun ist es aber anders gekommen, 

der Friede wurde uns genommen.

77 Jahre man sich sicher glaubte,

dann kam die Gewalt, die diesen Schutz uns raubte.

Was mich so unendlich wütend macht,

wie unbedacht,

ist doch die Verantwortungslosigkeit

in der heutigen Zeit.

Wie locker man mit dem Wort „Atomkrieg“ spielt,

das den Generationen das Vertrauen in die Zukunft stiehlt.

Schon die Warnung eine „Atomare Vernichtung“ auszusprechen,

ist ein Verbrechen.

Nun soll man sich auch weiter impfen lassen,

ich kann es nicht fassen:

Wer mit dem Horrorszenario eines „Atomkriegs“ spielt, 

und gleichzeitig eine Impfung empfiehlt,

ist zynisch - oder ist das nicht höhnisch?

Wo sind die Solisten der Pazifisten,

ihre Auftritte, Texte und Lieder?

Wo sind sie alle, wann kommen sie wieder?

Die Menschheit hat nur den einen Bedarf:

All you need is love.

 

 

(c) Christine Biermann

An den Fenstern.

 

 

Wie ist es draußen stille, 

es herrschet der Verordnungswille.

Die Straßen sind leer, kein lebendiges Treiben, 

die Menschheit muss zu Hause bleiben.

Während das Gesetz zur Heimarbeit ruft, 

starren Bürohäuser leere Löcher in die Luft.

Nur sind die Wohnungen nicht alle gleich, 

meistens eng im Wohnbereich,

wo die Familie mit verschiedenen Ordern

droht total zu überfordern. 

Wie  soll man dort Arbeitsplatz, Kindergarten, 

Schule unterbringen.

Diese Umstrukturierung will nicht gelingen.

Die Haustüren verschlossen. 

Verzweifelt und verdrossen,

stehen die Inhaftierten an offenen Fenstern

demonstrieren gegen Verbote und den Virusgespenstern.

Gemäß der Dauerberieselung mit Quoten

gewöhnt man sich schon an die Toten. 

Ob man dem Volke nützt oder schadet, 

hält sich die Waage.

Es bleibt die Frage, 

einer  normalen Zeit,

dem Menschen wieder die Verhältnismäßigkeit zu geben, 

eine Struktur - wie gehabt - für`s weitere Leben.

Es kann nicht sein, dass das Grundgesetz verpufft.

Die Leute müssen an die frische Luft.  

 

 

© Christine Biermann

Silber, Gold und Diamanten.

 

 

Heutige Jubelhochzeiten, veredelt mit Metallen,

sind ziemlich aus der Zeit gefallen.

Das Silber ergibt sich nach 25 Jahren; 

da ist man sich meist nicht mehr im Klaren,

ob man verlängern will oder nicht.

Viel Negatives erschwert das Gewicht.

Und immer fällt einem die Frage ein:

„Soll das alles gewesen sein?“

Was soll denn mit Fünfzig noch erfolgen!

Soll man warten, bis sich die Jahre vergolden?

Nein, so eingefahren will man das Leben nicht verbringen;

Kinder aus dem Haus, nochmal von vorne beginnen?

So manches Bündnis ist daran zerbrochen,

weil nichts der Erwartung hat entsprochen,

die sich romantisch am „Schönsten Tag im Leben“ 

mit Täubchen und Zauber hat umgeben.

Darf ich das Klischee riskieren,

wie sie anfing sich zu emanzipieren?

Als sie ging,

ein eigenes Leben wagte, ohne Ring?

Es kann auch an ihm gelegen haben,

als junge Frauen ihn umgaben,

denn, als sie ihren Koffer genommen,

ist es zur Silberhochzeit nicht mehr gekommen.

Es muss nicht so sein, es gibt Varianten:

Ehen die streiten, sich wieder versöhnen, das sind die konstanten.

Hält sich ein so durchwirkter Ehefaden,

wird man von den Kindern auch zur Silberhochzeit eingeladen.

 

Wie haben es die Eltern gemacht,

die so viele Ehejahre vollbracht?

Nach dem Krieg bei NULL angefangen,

was konnten sie vom Leben verlangen?

Sie mussten sich nicht suchen,

sie haben sich gefunden,

waren fest überzeugt, für immer verbunden.

Arm waren sie wie Kirchenmäuse,

und doch passten Kinder in ihr Zukunftsgehäuse.

Sie machten Schulden,

denn sie mussten sich was borgen;

der Rucksack schleppte eine schwere Last mit Sorgen.

Ach, man möchte es schon wieder sagen:

„In guten wie in schlechten Tagen.“

Sicher sind es die Spezies, die allerletzten,

in die man sich nicht mehr kann versetzen.

 

Jene, die sich an die Familie wenden

und Einladungen zur „Diamantenen Hochzeit“ senden.

Lasst Rosen regnen, stellt euch auf im Spalier

lasst erklingen ein Klavier…

Da fällt mir auf:

Die alten Eltern sind ja WIR.

 

 

(c) Christine Biermann

Haushaltsauflösung.

 

 

Meine bewundernswerte Freundin ist pragmatisch,

sie trennte sich systematisch

vom angehäuften Überfluss,

dem damit verbundenen Verdruss.

Der Garten zu fordernd, das Haus viel zu groß,

deshalb sie sich entschloss,

sich von der Belastung, der monströsen,

durch einen Ausverkauf zu erlösen.

 

Die Teppiche, Ladenhüter und Sesselschoner,

wurden verschenkt an die Dorfbewohner.

Das, was sie noch übrig hat, gibt sie gern mit warmen Händen;

es tut ihr gut, das Egale zu verschwenden.

 

Sie hat`s geschafft, sie ist nun Minimalist,

hat`s einfach drauf mit dem Verzicht.

Doch ganz so rigoros bin ich noch nicht,

ich hänge an gestern, sie aber nicht.

Sie hat auch kein Album mehr „mit mir darin",

der Schnee von gestern“ hat für sie keinen Sinn.

Realistisch geseh`n hat sie ja Recht,

auch wenn ich alles anzünden möcht,

hindern mich die Kinder daran,

sie gucken auch Bilder dann und wann,

und warnen mich, mitnichten

auf diese Erinnerungen zu verzichten,

denn mit meinen persönlichen Schätzen auf Erden,

könnt` ich womöglich 1oo Jahre alt werden.

 

Ohne diese belegten Beweise in Bildern und Schriften,

würde ich ins Nichts abdriften.

Um meinem Zaudern zu entkommen,

habe ich eine Bastkiste genommen,

meine papierenen Güter gebettet für meine Ruh.

Und eine große Streichholzschachtel dazu. 

 

 

© Christine Biermann

     Christine

       Ralph

       Heike

  unbekannter Maler

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