Kopf aus.

Lachen an.

 

 

Die Nonsens - Ecke

Inhalt:

 

 

Lothar und Klara (Liebe, oder so ähnlich)

Lothar und Klara (Fahrrad fahr´n)

Lothar sieht klar

Lothar sieht fern

Lothar reist

Lothar hat Zahnweh 

Mucki-Lothar

Lothar am See

Lothar kann zaubern

Lothar auf Abwegen

Nadine

Der stille Johann

Finderlohn

Only You

Roland am Mittelmeer

Kein Fernweh

Flugangst

Keiner versteht´s

Ringfahndung

IQ

Kein Ei

Weiberheld 1 & 2

Kompliziert

unterhalten sich zwei

Selbstbeküsst

Holzauge

Kleine Gefälligkeiten

Lothar und Klara

(Liebe, oder so ähnlich)

 

 

Auch manches blinde Huhn, sagt man,

findet ganz unverhofft ein Korn.

So fing es auch bei Lothar an...

Aber der Reihe nach

und ganz von vorn.

 

Die Klara hat´s ihm angetan.

Na ja, sie hat auch ihre Meisen:

ihr Plappern treibt ihn schon zum Wahn.

Dann hilft auch kein Spontan-Verreisen.

 

Sie ruft ihn an, wo er auch steckt.

So ein Handy ist schon praktisch.

Nur nicht, wenn sie ihn morgens weckt

und ihn auch nachts noch wachhält, faktisch.

 

Dabei wohnt sie im gleichen Haus;

nur zwei Etagen drunter.

Da macht man halt ´ne Uhrzeit aus

und Lothar tappt dann zu ihr runter.

 

...Normalerweise. Nur: sie ist,

nun mal ein bisschen schräger drauf.

Sie schleicht treppauf zu ihm, mit List.

Klopf, klopf: schon geht die Türe auf.

 

Oft bleibt die Tür auch einfach zu.

Dann hat er eben keine Lust.

Der Mensch braucht schließlich seine Ruh'.

Nur: ohne Klara schiebt er Frust.

 

So kam Lothar zu dem Entschluss:

okay, sie quasselt ziemlich viel.

Dann kriegt sie jedesmal ´nen Kuss:

nur so, als wär´s ein Kinderspiel.

 

Geplant, getan. Am nächsten Morgen

stand sie wieder vor seiner Tür.

Sie wollte sich nur Kaffee borgen.

Vergessen...Kann sie ja nichts für.

 

Er also hin, zum Küchenschrank.

Da ist sie auch schon drinnen;

hockt sich auf seine Polsterbank

und lächelt komisch, wie von Sinnen.

 

...Und plappert wie ein Wasserfall.

Da greift er sich recht sanft die Gute:

sein Kuss verschluckt dann jeden Hall,

denn zu - fest zu, ist ihre Schnute.

 

Er schnappt nach Luft. Sie plappert wieder.

Also der nächste lange Kuss.

Sie sinken auf die Eckbank nieder

und purzeln bodenwärts, am Schluss.

 

Das könnte jetzt so weitergehen,

bis Klara keinen Ton mehr piept.

Nur leider ist dann nichts geschehen,

das irre große Hoffnung gibt.

 

Klara plappert was von Liebe:

dass sie nun immer bei ihm bliebe.

Da wurde ihm ganz flau im Magen,

als er sie hörte auch noch sagen:

 

> Jetzt ist erstmal genug geträumt.

Hier wird mal gründlich aufgeräumt! <

 

 

© Ralph Bruse

Lothar und Klara

(Fahrrad fahr´n)

 

 

Klara hat einen Fahrrad-Fimmel.

Den muß man ihr auch lassen.

Sie radelt gern bei klarem Himmel

und genauso gern im Nassen.

 

Neulich hat sie es übertrieben:

da sprang die Kette von den Zähnen.

Vom Fahrwind ist nicht viel geblieben.

Sie fiel, sollte man noch erwähnen.

 

Und wie sie fiel...Dem Rad voraus -

zum Glück mit guten Haltungsnoten.

Die Arme sahen schon wüst aus,

von all den Schrammen: blauen, roten.

 

Dann war auch noch ein Fuß verstaucht.

Den mußte Lothar abends kühlen.

So wird er denn auch mal gebraucht,

um nachher noch Geschirr zu spülen.

 

Ein Mann, ein Wort. Macht er doch gern.

Sie wird sich sicher revanchieren.

Alsbald kann er sie schnarchen hör'n

und schließt mucksleise alle Türen.

 

Am andern Morgen steht ihr Rad,

im Keller dicht neben dem seinen.

Und Lothar denkt sich: wär doch schad´,

wenn wir die beiden nicht vereinen.

 

Gedacht, gemacht. Er holt die Säge,

den Schweissbrenner, und legt dann los.

Da ist zwar manches noch im Wege.

Voran! Sein Ehrgeiz ist ja groß.

 

Nun wird gesägt und viel geschraubt,

dass Blech und Rohre mächtig rappeln.

Erst wenn´s im Keller richtig staubt,

kann später auch nix lose zappeln.

 

                            *

 

Drei Tage später steht vor´m Haus,

ein ziemlich anderes Gefährt.

Klara sieht nicht begeistert aus.

Doch hat sie sich auch nicht beschwert.

 

Ihr Fuß ist heil. Die Schrammen weg.

Ihr Lächeln macht sich langsam auch.

Und nach dem ersten, kurzen Schreck,

beklopft sie Lothar's flachen Bauch.

 

> Woll'n wir?, < fragt sie und steigt vorn auf -

den Sattel etwas richtend.

Er schwingt sich also hintendrauf

und mahnt noch, ihren Fimmel schlichtend:

 

> Schön langsam. Mach mal halb so wild.

Man will ja noch´n bisschen leben. <

Doch wo kein Stopp, da auch kein Schild.

Sie will gleich tüchtig Zunder geben.

 

Ein wenig schwant ihm garnichts Gutes.

Doch schließlich geht es flott voran.

Das Tandem hält - und frohen Mutes,

strampeln sie im Winde dann.

 

Am Ortsrand: endlich freie Bahn

und nirgends Kreuz - und Querverkehr.

Wie fliegen - fast. Der helle Wahn!

Nur Klaras´ Lachen hinterher!

 

 

© Ralph Bruse

Lothar sieht klar

 

 

Auf dem Jahrmarkt steht ein Zelt

inmitten all der Menschenmassen.

Da wird ihm wahrgesagt für Geld.

Wer will, der kann es ja auch lassen.

 

Lothar will...Also: da rein...

Er prüft, was in den Taschen steckt.

Zehn Euro Kleingeld - noch ein Schein.

Macht: dreißig. Reicht vollauf. Perfekt.

 

Zwanzig kostet ihn der Spaß -

steht jedenfalls da draußen dran.

So nimmt er dann am Zelttor Maß.

Klopf, klopf...Nee, geht nicht. Rein da, Mann!

 

Tief runter duckt er sich einstweilen

und schiebt den weißen Vorhang weg.

Da drinnen, wo sich Schatten teilen,

sitzt wer im kuscheligen Eck.

 

Potzblitz, der Wer ist eine Sie

und auch noch irre blendend schön!

Schon juckt es Lothar arg am Knie;

drum kratzt er kräftig dran, im Stehn.

 

Die Schöne von der Seher-Zunft,

bittet ihn leise, Platz zu nehmen.

Es nicht zu tun, wär Unvernunft.

Auch Schuhe aus. Für was sich schämen.

 

Die Schöne schaut ihm ins Gesicht

und das doch ziemlich lange.

Sieht sie schon was, oder noch nicht?,

denkt sich Lothar, fast schon bange.

 

Unheimlich ist ihm das Gestarre,

ohne dass endlich was passiert.

Sie nimmt ihn wohl an die Kandarre,

bis er die Nerven ganz verliert.

 

Sie rührt sich. Legt die Karten aus

und sagt, er werde bald schon krank.

Sagt aber auch, im Krankenhaus

wird alles gut.

Na, vielen Dank.

 

Lothar lächelt angestrengt.

Verneint und nickt in einer Tour.

Sie fragt, was er so tut und denkt -

und käut es wider - anders nur.

 

Okay - so läuft das mit dem Sehen,

sagt Lothar sich im Stillen.

Erst lässt sie ihren Schönduft wehen

und dann geht’s ans Vorseh-Grillen.

 

Im Lotto winkt ihm kein Gewinn,

sagt sie - weil er kein Lotto spielt.

Das sieht sie richtig - immerhin,

auch wenn sie schon zum Ausgang schielt.

 

Da wartet schon der nächste Kunde.

Lothar sieht nur dessen Beine.

Er zahlt, grinst schief, geht noch ´ne Runde

um den Markt und zieht dann Leine.

 

                             *

 

Abends, im Bett, fällt ihm noch ein:

Sie prophezeit auch Gutes...Liebe...

Im ersten Anlauf soll´s nicht sein.

Die Dritte ist´s, die bei ihm bliebe.

 

> Na gut, < schnarrt er, schon halb im Traum:

> Die Dritte fällt vom Birnenbaum. <

 

 

© Ralph Bruse

Lothar sieht fern

 

 

Am Abend flimmert Lothars´ Glotze.

Das muß ja auch mal sein.

Dann sitzt er beinah wie zum Trotze

alleine da, bei Chips und Wein.

 

Der Reißer-Krimi steht bevor.

Er flitzt noch schnell zum Klo.

Zurück, im Sessel, ist er Ohr,

was denn so los ist, anderswo.

 

Die Nachrichten war´n auch schon schlimmer.

Da Krieg. Stunk da. Lass stecken.

Das Wetter noch: besser wird´s nimmer.

Nur Regen, Regen, ums Verrecken.

 

Sch.....Werbung...Fast ´ne Viertelstunde!

Da juckt ihm schon die dicke Haut.

Er dreht halt noch ´ne Pinkelrunde -

fletzt sich im Sessel. Der knarrt laut.

 

Den Sessel mag er mehr, als alles

in seiner schlichten Rumpelbude.

Da döst er, träumt im Fall des Falles

sich raus, nach Buxtehude...

 

Von Trudi träumt er öfter mal.

Die hatte er arg lieb.

Nur leider war er ihr egal.

Bald zog er weg. Sie blieb.

 

Sein Buxtehude ist zu fern.

Da reicht die knappe Kohle nicht.

...Dann wenigstens den Krimi - gern.

Doch der kommt nicht in Sicht.

 

Stattdessen klopft es an der Tür.

Klara steht da, mit Pott und...Suppe?

Die fehlt ihm grad noch im Revier:

eine von der Hektik-Truppe.

 

Obwohl...dem Reisbrei da, im Topf

kann er nicht widerstehen.

Drum nickt er mucksstill mit dem Kopf

und lässt sie vorbeiwehen.

 

Später, zur Nacht, war´s auch ganz nett:

pappsatt - und nicht allein im Bett.

 

 

(c) Ralph Bruse

Lothar reist

 

 

Ihm wird´s zu eng. Das Heimweh: groß.

Schlafsack. Zelt. Ein bisschen Geld.

So zieht er eines Morgens los -

wird kurz noch an der Tür gestellt.

 

Die Klara hat Klappstull´n gerichtet.

Sie streicht ihm sanft den leeren Bauch -

steht da, im Nachthemd, und sie dichtet:

> Mein Brot sei immer deines auch. <

 

Das klang noch nach in Lothars´ Ohren,

als er längst aus dem Hause war.

Auch, daß er hatte ihr geschworen,

wiederzukommen. > Geht schon klar. <

 

Ganz sicher war er sich da nicht,

als er später am Highway stand,

mit Sack und Grinsen im Gesicht

und großem Pappschild in der Hand.

 

Bis Buxtehude fährt heut keiner.

Okay - dann ab, ins Ruhrgebiet.

Ein netter Opa Namens Reiner

nimmt ihn erstmal bis Bochum mit.

 

Nur leider sieht der Alte schlecht

und brettert hundertsechzig Sachen.

Fast fliegen ist dem Lothar recht.

Man muß ja auch mal herzhaft lachen...

 

Das vergeht ihm...Reiner setzt

den Opel quietschend in die Planken.

Den Wackeldackel hat´s zerfetzt.

Er grinst. > Passiert... Weiter, zum Tanken. <

 

Lothar macht sich nach dem Stopp,

dann doch lieber vom Acker.

Ein Brummifahrer nimmt ihn hopp(s):

leicht duhn, der Riesentruckermacker.

 

Bis Hannover hält er Spur.

Dann pennt er eine Runde.

Lothar zieht weiter auf der Tour.

Bis Stade noch ´ne gute Stunde...

 

Dahin fährt ihn ein junges Ding

in blitzeweissem Cabrio.

Ist nicht so seins - doch Lothar singt,

mit ihr auch laut Fats Domino.

                    

                         *

 

Endlich ins alte Land gekommen.

Fand er gleich seinen Apfelbaum.

Darunter - glücklich und benommen,

kam ihm schon mancher süßer Traum.

 

Am Abendhimmel stand der Mond.

Der schaut ins Einmann-Zelt

und ahnt wohl schon: da drinnen wohnt,

nun einer für kein bisschen Geld,

in seiner kleinen Wunderwelt.

 

 

Worte: (c) Ralph Bruse

Grafik: open cliparts

Lothar hat Zahnweh

 

 

Lothar quält der Backenzahn

und das jetzt schon seit Wochen.

So langsam treibt´s ihn in den Wahn,

das Ziehen und das Pochen.

 

Den Zahnarzt konnte er nie leiden.

Der ist ja auch brutal.

Lässt sich wohl trotzdem nicht vermeiden,

daß der da ran muß - wieder mal.

 

Na gut. Nur auf dem Weg dahin,

kriegt Lothar seltsam weiche Knie.

Mach voran!, kam ihm in den Sinn.

Und: Klappe auf. Zum Henker, zieh...!

 

So trabte er zur Folterstätte -

saß lange da, im Wartezimmer.

Neben ihm, die furchtbar Nette:

sie schwatzt von größerer OP;

vom nigelnagel Neugebiss.

Alle Zahn-Ruinen raus - oh weh!,

denkt Lothar und kriegt noch mehr Schiss.

 

Die Tür fliegt auf. Da steht der Henker

und grinst Lothar genüsslich an.

Nicht grad ein Bild von Blutdrucksenker...,

schwant es Lothar folglich dann.

 

Türe zu. Er ist gefangen

im Verlies der Barbarei -

starrt Tiegel, kleine, große Zangen

und Bohrer an, mit stummem Schrei.

 

> Adieu, du schöne, schnöde Welt, <

schnarrt Lothar schon mal vor sich hin.

Dann klappt sein Mund auf, wie bestellt

und der Doc fuhrwerkt darin.

 

> Aha! Da ist der Übeltäter!, <

freut sich der dicke Zahnmonteur.

> Den ziehn wir besser gleich, statt später!, <

bimmelt es Lothar im Gehör.

 

Im Mundgebälk ein kurzes Krachen.

Schon klirrt der Oschi in der Schale.

Ganz zaghaft: > Isser weg...? < Dann Lachen.

Und: > Nenn mir jeden Preis. Ich zahle! <

 

Der Doc roch schwer nach Schnapskantine:

das machte Lothar garnix aus.

Er herzte ihn mit froher Miene

und wackelte beglückt nach Haus.

 

 

Worte: (c) Ralph Bruse

Bild: clipartbest.com

Mucki-Lothar

 

 

Da stand er...Konnte nur noch gaffen,

was jener Kerl doch Bizeps hat.

> Verschärft trainiert, ihr Flachbrustaffen!, <

tönt der Typ auch noch pappsatt.

 

Lothar sah ein: ich bin ein Wrack:

Null Muckis und fast strohhalmdünn.

Der Kerl bringt´s auf den Punkt: > Du Sack.

Bei Schlaffis macht das keinen Sinn. <

 

Trotzdem folgt Lothar jenem Recken

in eine dieser Folter-Höhlen.

Als ihn die Hühnen dort entdecken,

gibt es minutenlanges Gröhlen.

 

Er wollte es den Typen zeigen:

stemmt alles in die dünne Luft...

Sabine, Mutter...Endlich Schweigen.

Das Blödgelächter war verpufft.

 

Er wurde breiter als sein Hemd

und lief jetzt wie mit vollen Hosen.

Die Typen staunten bald verklemmt:

er war nun Boss in allen Posen.

 

Sabine wusste nicht, was läuft.

Sie schreckt auch nicht die Heldenbrust.

Wohl aber, daß er gröhlt und säuft

und prahlt: das sei jetzt zwingend selbstbewusst.

 

Das sah Sabine garnicht ein

und nahm sich einen andern.

Nun hockt der Lothar seel´nallein

vor Hanteln und Expandern.

 

2.

Er wurde wieder rappeldünn.

Sabine lächelt...immerhin.

 

 

Verreimtes: (c) Ralph Bruse

Grafik: open cliparts

Lothar am See

 

 

Im Juli geht der Lothar baden.

Das Wasser um die Storchenwaden,

springt er wild auf; reckt weit die Brust.

Ein Mädel schaut...Er hat´s gewusst!

 

So blubbert gockelnd er herum,

sieht dauernd sich zur Schönen um.

Sie winkt ihm lachend zu und nach.

In Lothar wird der Haifisch wach.

 

Er hechtet in den blauen See

und denkt noch: wenn ich untergeh...

Sie hat mich ja von Land gesehn

und wird im Ernstfall zu mir stehn.

 

Rettung braucht Zeit - doch Lothar wartet,

bis die Warterei ausartet...

Zudem brennt es ihn an den Füßen.

Feuerquallen lassen grüßen.

 

Die haben ihn schon arg erschreckt.

So schreit er auf. Oha - entdeckt,

daß er ja auch nicht schwimmen kann.

Schreit wie am Spieß, der arme Mann!

 

Was ist vom kleinen Flirt geblieben?

...Den Lothar hat es abgetrieben.

Der Bademeister fing ihn ein

und motzt, wie man so blöd kann sein?!

 

Viel dicker kommt es nachher noch...

Das Frollein lacht ihn freiweg aus.

Winkte ihm frech, die Zuckermaus,

als er heim schlich - fast schon kroch.

 

 

(c) Ralph Bruse

Lothar kann zaubern

 

 

Man hat die Gabe, oder nicht...

Lothar hat sie - und verspricht:

> Hier, der heisse Kohlenhaufen...

Da werd´ ich barfuss drüber laufen! <

 

Er schließt sich kurz mit seinen Engeln,

dann nickt er unerschrocken.

Die Schrebergarten-Leute drängeln

sich dicht im Stehn und Hocken.

 

Die Kohle auf der Feuerstelle

raucht erst nur - glüht dann heiss.

Dem Lothar zischt die untre Pelle

und oben wird er käseweiss.

 

Zwei Sekunden immerhin

steht er mit nackten Füßen

im Höllenfeuer mittendrin,

als ihn die Engelein verließen.

 

Die Leute lachen, oder spotten.

Einer brüllt: > Du Memme! <

Da kriegt der Lothar schon die Motten;

steckt gründlich in der Klemme.

 

Mistzauber!, flucht er in sich rein.

Er testet Füße und die Zehen:

> Schwarz besohltes Hühnerbein...

Zum Humpeln wird´s noch gehen. <

 

Verlorne Wette...Das wird teuer.

Kein Schlupfloch mehr zu finden...

Zehn Runden Bier für alle heuer.

Tja, Engel kommen - und verschwinden.

 

 

(c) Ralph Bruse

Lothar auf Abwegen

 

 

Zu vorgerückter Gasthaus-Stunde

verkündet Lothar frohe Kunde.

> Ihr werdet staunen, liebe Leute:

ich feier´ Hochzeit, hier und heute! <

 

Der Kneipenwirt grinst leicht betreten.

Wer will schon einen Dorf-Proleten,

randvoll mit Schnaps und mit Komplexen?

Den nehmen doch nur Brockenhexen.

 

Der Lothar lässt sich garnicht lumpen,

zerdrückt ´nen Zigarettenstumpen,

weist flink nach draußen, vor die Tür.

Die Wirtshausfreunde - derer vier -

sehn dort stehn die Dirne Ute

mit ziemlich eingeschnappter Schnute.

 

Kein Freier kommt. Ute wird gnatzig

und später dann auch richtig patzig,

als ob Lothar was dafür kann,

daß keiner beisst zum Knuspern an.

 

Da blökt wer: > Etwa die, du Narr?! <

> Jawoll, so wahr ich nüchtern war!, <

blökt auch der Lothar sichtlich stolz

und klopft -  toi toi - auf Thekenholz.

 

Schon trampelt Ute in den Raum.

Lothar wagt zu atmen kaum.

> Los, Loddar, mach den Abmarsch klar.

Und Moin früh geht´s zum Altar. <

 

Lothar fühlt sich plötzlich alt.

In seinen großen Ohren hallt

das Indianer-Ehrenwort von neulich:

> Utemaus, hab nur Vertrauen,

ich werd´ dir schön die Zukunft bauen. <

 

Da wusste er noch nix von Kindern,

begrapscht stattdessen Utes´ Hintern.

Kein Durchblick mehr. Mordszelt im Schritt.

Und Ute nahm ihn gratis mit.

 

2.

Heute abend, kurz nach acht

schleicht sich Lothar unbedacht

ins Lokal. Fragt: > Isse weg? <

Nee, da steht sie...Lass nach, Schreck!

 

Ernüchtert stammelt er: > Oh, Maus.

Ich geh denn mal zu mir nach Haus.

Verzeihe mir das Großmaul, ja?

Und daß ich nicht bei Sinnen war.

Na klar, ich mag dich, wie du bist,

auch wenn´s viel komplizierter ist. <

 

Er will sie an sich ziehn - doch Ute

wird zum wilden Tier, die Gute.

Von ganz weit hinten holt sie aus,

haut Lothar glatt sechs Zähne raus,

während der sich tapfer duckt

und prompt die nächste Rechte schluckt.

 

So muß wohl wahre Liebe sein,

denkt Lothar. Und: ich war ein Schwein!

> Ja, hau nur, Utemaus. Schlag zu!

Daß ich den Schmerz so spür, wie du! <

 

Als sie ihn hin, zur Eckbank tragen,

hört Lothar sich noch nuschelnd fragen:

> Das eine is´ mir ungewiss...

Was kostet so´n Ersats-Gebiss? <

 

> Weniger als sieben Gören, <

kann er den Wirt von weither hören.

 

 

(c) Ralph Bruse

Nadine

 

 

Nadine hat sich rausgeputzt.

Noch einmal zieht sie den Lippenstift nach und kräuselt die spröden Lippen. 

Sie prüft den Sitz ihrer tiefausgeschnittenen Bluse, zwickt hier und zwickt da. 

Der enge Rock ist hochgerutscht. Sie zieht ihn glatt. Nadine schnappt nach 

der Fernbedienung. Plötzlich fällt ihr eine andere Wichtigkeit ein. Der Wein. 

Wie konnte sie nur den Wein vergessen?! 

Sie stürmt in die Küche.

Zwei Gläser. Der Wein. Roten oder weißen? Er wird roten vorziehn, überlegt 

sie. Ein zaghaftes Lächeln überzieht ihr glühendes Gesicht.  Ihr Blick huscht 

zur Wanduhr. Zwei Minuten vor sieben. Um sieben kommt er. Er ist immer

pünktlich.

Ihr Herz schlägt schneller. Die hochhackigen Pumps schnüren die Füße ein, 

doch das ist jetzt nicht so wichtig. Ein letzter Blick in den Spiegel, neben der 

Spüle. Sexy. Du siehst verdammt gut aus! Das wird ihm gefallen... Nadine

versucht ein Lachen, aber mehr als dieses eingefrorene Lächeln wird es

nicht.

Die Gläser klirren leicht. Etwas erschrocken löst sie sich von ihrem Spiegel-

bild; hastet ins Wohnzimmer. Sie riecht den Schweiß, der unter ihren Achseln

hervorkriecht. Sie rümpft die Nase. Gütiger, das darf doch nicht wahr sein!

Parfüm. Schnell, das Parfüm! Vanille? Ja, er wird Vanille mögen. Zischsch.

Gleich nochmal, direkt außen auf die Bluse. Zum Umziehen ist jetzt keine Zeit

mehr. 

Sie rennt zurück, Richtung Wohnstube. Eine Minute nach sieben. Verflixt - er 

ist immer noch nicht da! Wertvolle Sekunden rinnen dahin. Schließlich fällt 

der Groschen und das Lächeln zwischen ihren grellgeschminkten Lippen wird 

ein befreites Lachen. Er kann ja nur pünktlich sein, wenn auch sie pünktlich 

ist...

Nadine stürmt den Sessel. Die Fernbedienung liegt bereit - sie ist bereit, der 

Wein - gut gekühlt - also bitten wir ihn herein. Ein leichter Fingerdruck. Der 

Bildschirm flammt auf.

 

Die Erkennungsmelodie ist schon vorbei. Nicht so schlimm. Er ist da - genau

da, in der Mitte ihres Fernsehers. Spock - der mit den spitzen Ohren. Sie

sinkt tiefer in den Sessel und wird die nächste knappe Stunde nur von ihm

träumen....Von einer Galaxie zur nächsten, ein Universum folgt dem ande-

ren...Und sie beide trinken auf den Sieg über all die finsteren Mächte im All.

Käptn Körk ist immer allgegenwärtig, aber auch er kann nicht verhindern, 

daß Spocks' Ohren vor lauter Verliebtheit neongleich glühen.

Im Raumschiff ist es ohnehin sehr warm. In Strömen läuft Nadine der

Schweiß fort. Und Mister Spock sagt in dieser Situation das einzig Richtige:

Sie duften heut' wieder so irre spacig, Madame Nadine!

Madame Nadine...aus seinem Mund klingen die Worte wie rauschende Was-

serfälle.

Sie wird ganz schwach auf den Beinen. Ist es der Wein, oder der Mann, da 

vor ihr? Sicher Beides. Nadine fällt - nein, sie gleitet in seine Arme, und dann 

trägt er sie mühelos und mit ausgestreckten Armen zur Krankenstation, wo 

schon Doktor Pille auf sie wartet. Doktor Pille ist ein guter Mensch, denn er 

spürt das Drama dieser Liebenden - soll heißen: nichts zu tun ist in dieser Situ-

ation das Allerbeste. Also lässt er die Verliebten für eine genügend lange Weile 

allein, damit sie sich ihren überirdischen Gefühlen hingeben können.

Endlich ist er verschwunden.

Auf Spocks' Bitte hin löscht Nadine das Licht im Krankenzimmer. Etwas ver-

wirrt und dennoch umsomehr von positiver Erregung ergriffen, sinkt ihr 

schweißnasses Kleid zu Boden. Sie löst den Knoten ihres Haarzopfes; schwebt 

völlig von Sinnen ihrem Geliebten entgegen. Von diesem wiederum gehen Ge-

räusche aus - merkwürdige Geräusche, die an ein Dutzend in die Ecke gewor-

fener Kastagnetten erinnern.

Sie feuchtet ihre Lippen an. Welch würdevolles Geklapper, denkt sie noch, ehe 

sie sich in den weichen Pelz seiner Brust wühlt.

Spock ist elektrisiert von ihren zartkreisenden Fingerspielen, doch er hat offen-

bar ein kleines Problem. > Würden Sie bitte nochmal das Licht einschalten, Ma-

dame Nadine. Mir ist da etwas abhanden gegangen...< 

> Sicher doch, Mister Spock, < haucht sie mit zittriger Stimme.

Federleicht entschwebt sie zum Schalter, links neben der Türe. Und knipst ihn 

nach unten.

Im gleichen Moment erblassen Mister Spock, und auch Nadine...

Die fallengeglaubten Kastagnetten sind in Wahrheit die aufgesteckten Überoh-

ren, die sich im Zuge körperlicher Erregung von dem Manne lossagten. Noch 

schlimmer: Mister Spock hat weder Segelohren, noch Spitzohren... er hat gar 

keine Ohren mehr. Da wo sie einst waren, klaffen daumengroße Löcher, und aus 

diesen Löchern baumeln phosphorgrüne Gebilde, die aussehen, wie aus der Mo-

de gekommene Ohrringe. Heiliger Bimbam - wie sie beide schrien vor Schreck!

 

Doktor Pille erschien auf der Bildfläche und schrie ebenfalls: > Mister Spock,

wir haben höchste Alarmstufe! Die Enterprise steht unter Beschuss böser Zy-

klonen vom Stern Uranus! <

> Aha, daher also das unerhörte Klingeln meiner Ohren!, < entgegnete der Be-

treffende geistesgegenwärtig. Hätte wissen müssen, daß da was faul ist, im

All...<

Sein hochgradig erhitztes Gesicht nahm den Ernst der Lage an. 

> Alles auf die Kommandobrücke!, < schrie er die wenigen Umstehenden an.

Nadine mußte folgen. Zeit zum Einsammeln von Kleidern und abgefallenen Oh-

ren blieb jetzt keine mehr. 

 

Das Raumschiff wurde von mehreren Detonationen erschüttert und sie hatten

Mühe, sich unbeschadet durch die langen Gänge vorzukämpfen. Völlig außer

Puste gekommen, gelangten sie an den einzig sicheren Platz dieses Luftschiffs:

den Kommandoraum.

Kapitän Kork nahm fehlende Kleider und Horchorgane seiner Mitstreiter zwar

wahr, doch das schien ihm in Anbetracht der brenzligen Situation mehr als pille-

palle.

> Fahren Sie halbe Kraft zurück, Mister Sulu!, < befahl er. 

> Ei ei, Sir. Halbe Kraft zurück! <

> Wir haben starken Energieabfall, Käptn!, < rief Sulu plötzlich.

> Viel Abfall? <

> Ja, Käptn. <

> Wieviel, Mister Sulu? <

> Sehr viel, Käptn. <

> Wieviel???, < schrie der Körk außer sich.

> Die Zyklonen haben unser Energie-Zentrum getroffen. Über die Hälfte aller

Reserven sind hin. Das reicht gerade noch, um uns sicher nach Hause zu bea-

men. <

Kapitän Kork blickte zu Spock herüber. Sein Blick war Hoffen und Bangen zu-

gleich.

> Was denken Sie? <

> Keine Ahnung, Käptn. Wo sind meine...Mist nochmal, wo sind meine ...? <

> Im Krankenraum, Mister Spock, < meinte Doktor Pille, mit einem klitzeklei-

nen, vielsagenden Grinsen im Gesicht.

> Abdreh'n, Mister Sulu!, < befahl Körk schließlich. > Fahren Sie die Enterpri-

se mit kleiner Kraft auf Koordinaten 1151. <

> Zur Erde?, < nölte Sulu kleinlaut.

> Ja ja ja!, < schrie Käptn Kork, daß es wehtat. Und leiser:

> Ab nach Haus'. Wir haun hier in Sack! Drauf gepfiffen! <

 

2.

Es folgte die Schlussmelodie - und Nadine fand sich in ihrem Wohnzimmer wie-

der. 

Sie streckte sich, daß sämtliche Glieder knackten.

> Drauf gepfiffen, < wiederholte sie nachdenklich. > Wahrlich ein merwürdiges

Ende...Wenn das so weitergeht, muß ich den Sender wechseln; eventuell auch

den Arzt. <

Dennoch ging ihr der arg gebeutelte Mister Spock nicht aus dem Sinn. 

Letztendlich befand sie, daß sie einiges sicherlich nur erträumt hatte und daß

sie die nächsten Folgen keinesfalls verpassen durfte. 

Sie räumte Gläser und den kaum getrunkenen Wein weg.

 

Später, als sie unter der Dusche stand, klingelte es an der Tür.

Während sie noch drüber nachdachte, wer ihr wohl um die Zeit - schließlich war

es schon spät am Abend - einen Besuch abstatten will, klingelte es schon wieder.

Auch ein drittes Mal.

> Nadimaus, ich bins... Dein Spocky!, < rief jemand vom Flur her.

Wie oft hatte sie schon den Tag verflucht, als dieser Nichtsnutz von einem Mist-

kerl ihren Weg kreuzte...!

Trotzdem hat der Kerl bei ihr einen Pfundsstein im Brett, denn er gleicht ihrem

Geliebten - dem schier unerreichbaren Mister Spock - fast auf's Haar. 

Pudelnass öffnete sie die Tür einen Spalt breit.

> Überrrraaschung, Nadi!, < krähte er durchs ganze Haus.

Dann zauberte er etwas hinter seinem Rücken hervor. Das Ding in seinen kurzen

Fingern blinkte wie eine ausgerastete Ampel und schoss echte Lichtströme auf

Nadine ab.

> Die Original Enterprise!, < johlte er mit leuchtenden Augen.

Lächerlich wirkte der kleine Kerl, wie er da stand und im eigenen Saft schwitzte.

Alles, absolut alles an dem Typen törnte Nadine mitunter in höchstem Maße ab:

seine dünne, kindliche Stimme, die einem Vogelfiepen glich, das bisschen Kopf-

haar, das die Glatze, darunter, enorm lichtete; das schwabbelige Käsegesicht, der

kurze Leib, die noch kürzeren Beine, und jene Bonsaifüße, die locker in Schuhe

der Größe 37 passten. Ein Zwerg - ein unappetitlicher, dicker Zwerg - an dem

es nichts Interessantes zu entdecken gab. Doch eins: die Ohren. Seine Ohren,

die wie aufgeregte Vögel in der Landschaft umherflirrten, und rein garnicht zu

dem Bild des kleinen Mannes passten. Groß waren diese Ohren - mächtig groß,

spitz zulaufend und wirklich furchteinflößend. Und das Beste daran: die  Ohren

sind sowas von echt, und reissfest!

Da war es wieder - jenes stärker werdende Klopfen in Nadines' Brust.

> Schiffpiffpuffpengschiffpiff....Zur Landung ansetzen!, < kam es von der ande-

ren Seite der Tür. 

Nadine spielte nervös mit ihren Fingern.

> Zischpiffbummtschsch...Landung geglückt...! <

Nadine fixierte das wild herumkurvende Raumschiff mit zunehmender Gewo-

genheit. 

Ihr Arm zuckte vor und zurück. 

> Piffschifftschscht...Laser, volle Kraft! tschscht..! <

Seine Ohren wackelten im Takt rasanter Luftfahrten.

> Jetzt reichts aber!, < kommandierte Nadine. 

Sie packte den kleinen Mann hart an den Ohren. 

> Los, rein mit dir, Spocki! <

Geschichte: (c) Ralph Bruse

Grafik: open clipart org.

Der stille Johann

 

 

Da sind sie nun: am Mittelmeer.

Gitti stöhnt. Sie schlägt den üblichen Sektempfang aus, lässt sich in einen der 

monströsen Vorhallen-Sessel fallen. 

Johann langt gut hin. Er hat Durst. Viel Durst. Drei Sektgläser trinkt er in ei-

nem Zug leer. Erst dann wurde aus Gier Genuss. Nach etwa dem sechsten

geleerten Glas fängt er - obwohl sonst eher schweigsam - an, zu schwärmen 

und eigenartige Jubellaute von sich zu geben.

> Lass uns für immer hierbleiben, Mausi! Sieh nur, all die Lichter! <

Ob er die grellen Lichter drinnen, die draußen, oder die in seinem purpurro-

ten Schädel meint, lässt sich nicht auf die Schnelle klären.

Mausi schmollt. Sie will nur endlich ihr Zimmer in Besitz nehmen, duschen

und los, auf die Piste, um sich über alles aufzuregen, was ihr vor die Argusau-

gen kommt. Dazu später mehr. Oder gleich...

Erstmal die Zimmerübergabe. 

> Na endlich!, < kräht sie unüberhörbar, als der dickleibige, alte Mann vom

Empfang feierlich grinsend die Schlüssel herausrückt.

Im Zimmer angekommen, dann schon ihr erster, schriller Schrei.

> Johann, daaaa!...<

Sie zeigt auf das frischbezogene Bett, auf dem sich niedliche, kleine Tierchen

tummeln.

Johann lächelt angestrengt; versucht, sie zu beruhigen. > Ameisen, Mäus-

chen. Völlig harmlos. Die spazieren halt auch gern mal raus, aus gewohnter 

Umgebung. In Wald und Flur ist ja auch nicht üppig Lohnenswertes zu ver-

tilgen. <

Er kann über sein kleines Witzchen schüchtern kichern.

Gitti ist aber garnicht belustigt. Sie lacht auch im Allgemeinen sehr selten. 

Viel lieber schimpft sie. Wie dann auch nur eine Stunde später, am Strand...

 

> Eintritt für den versifften Strand? Bezahlen für die Liege? Auch noch für

den Schirm im Sand??....Ja, wo gibts denn sowas?!! Auf keinen Fall! Ab-

marsch, Johann! <

 

Im nächstgelegenen Esslokal bemängelt sie praktisch alles, was sich bewegt,

nachher leblos vor ihnen auf den Tellern liegt: das Lokal, das Personal - durch

die Bänke, Stühle, Hocker, Tische: alles.

> Wie schon mal gegessen!, < ereifert sie sich. > Die reinste Schweinepampe!

Was für ein Drecksladen. Schau mal hier. Und da erst! Der Fußboden...! <

> Wo denn, Mäuschen? Da ist doch nichts, < entgegnet Johann kleinlaut.

Sie: > Doch! Bist du denn blind?? Da, lauter Fußtappser. Überall Fußabdrüc-

ke! Das kann man doch mal wegwischen! Und der Tisch erst...Der wackelt ja

wie ein Kuhschwanz! Nie und nimmer zahl ich in dem Schlampladen den vol-

len Preis! <

 

Das klingt eindeutig nach Drohung - und Ärger. Was dann auch so eintrifft:

Sie weigert sich eisenhart, das Essen, an dem Johann rein garnichts auszu-

setzen hatte, in Gänze zu bezahlen.

Genau die Hälfte begleicht sie. Keinen Cent mehr. Und Johann die andere 

Hälfte - heimlich, auf dem Weg zum Klo. Links davor tritt der zornige Wirt

wütend auf der Stelle, den Hörer schon in der Hand, um die Policia zu rufen. 

Müde, mit hilfloser Miene, drückt Johann ihm die ausstehende Summe in

die Hand. Nochmal gut gegangen.

 

Am Abend, in einer Pizzeria, unweit des Hotels:

Köstlich duftender, noch dampfender Teig, belegt mit allem, was der hung-

rige Mensch so braucht, vor ihm...Leicht gekühlt, das Bier, das Johann schon

anlächelt, als es noch auf halbem Weg zu ihrem Tisch ist...Er genießt den ers-

ten, erfrischenden Schluck. Ist zufrieden mit sich, den gedämpft grummelnden

Leuten, ringsumher, der kleinen, urigen Welt, hier drinnen. Er setzt das Bier-

glas ab, beißt in die herrlich kross gebackene Pizza. Nein: er will gerade hinein

beißen...

> Jetzt kuck dir mal den Saustall, hier, an!, < rauscht Gitti, wie vom Pferd ge-

treten, dazwischen. In das schlimmste Dreckloch sind wir hier geraten! Da hilft 

wirklich nur noch beten! <

Sie zerrt Johann mit sich raus. Bezahlt vorher aber immerhin noch. Knallt die 

Summe auf den Tisch, rempelt arschwackelnd ihren Tisch an, so daß Bier - und 

Weinglas umkippen, zum Tischrand rollen und von da aus geradewegs im Kurz-

flug zu Boden klirren.

 

Der nächste Tag.

Gitti schimpft. Beklagt schon am Frühstückstisch den Kaffee, der, wie sie sich

empört, wie Abflussfrei schmeckt.

Johann schweigt.

 

Der übernächste Tag.

Sie schimpft immer noch. Plappert unerschrocken und fast in einer Tour. Er-

zählt vor dem Zubettgehen an der Hotelbar Neuankömmlingen, wo sie schon

in der großen, weiten Welt herumgekommen war. Amerika, Brasilien, Afrika -

Norden, den Süden. Praktisch überall.

Sie hat einige Cocktails getrunken, als sie auch Vertraulicheres ausplaudert.

Zum Beispiel, daß ihr der erste Freund in Arizona von der Leine ging. Der Zwei-

te nur zwei Jahre danach in Brasilien. > Carnevalo..., < klagte sie verächtlich.

> Lump, der! <

 

Einen Moment lang trat Stille ein. Sie schwieg tatsächlich. Nicht übermäßig

lange, aber ausreichend, so daß Johann sich just im gleichen Augenblick bei der

Gewissensfrage erwischte, ob er Gitti denn noch immer mag?

Die Antwort war ziemlich ernüchternd: ja, schon - aber irgendwie weniger, als 

zu Beginn der Reise. 

Als sie nach ihrer kurzen Redepause wie gehabt weiter palaverte, da mag er

er sie noch ein bisschen weniger. Und als auch dieses bisschen Zuneigung sich 

auf Nimmerwiedersehn verflüchtigen will, da rüttelt und schüttelt es ihn stumm. 

So ist er nun mal: ein Ruhiger, ein ganz Stiller. Nie laut und immer rücksichts-

voll.

Erst Minuten später geht Merkwürdiges in ihm vor - eine Änderung, die er nicht

an sich kannte und auch nie zu sich gebeten hatte. Gitti verlangt, aus heiterem 

Himmel, lautstark Fisch.  > Auf gebratene Forelle hab ich Lust!, < kräht sie mit 

schon glasigen Augen.

Sie knallt einen Hunderter, dann noch einen - fünf im Ganzen - auf die edle

Marmortheke. 

> Fisch will ich! Undzwar jetzt und bitteschön Zackizacki! <

Nach einigem Hin und Her an Diskussionen, wird der Koch nochmal an seinen

Herd zurückbeordert, der eigentlich schon längst Zuhause dem Feierabend 

fröhnte - um zehn Uhr, abends.

Johann leert schweigend seine Weinflasche. Seit Längerem schon hat er kein 

Wort mehr gesprochen. Irgendwas nimmt von ihm Besitz. Etwas großes Be-

drohliches.

                                                                     *

 

Nachher, zur Schlafenszeit, gegen Mitternacht, ist es urplötzlich wunderbar

still in ihrem Zimmer. Nur ein kurzer Aufprall. Mehr nicht. 

Der Halbmond spaziert vom Meer herein. Auch über den blitzeblanken Fußbo-

den spaziert er. Über Gitti hinweg, die dort liegt. Johann hebt sie wankend auf,

legt sie behutsam zu Bett, kriecht - alle Kleider noch an - dazu. Er  lauscht in die

kühlende Ruhe und in den säuselnden Nachtwind.

Er schaut sie an. Sie schläft friedlich. Für immer. Das wird ihr Fisch gewesen 

sein. Vielleicht auch sein süßer Rausch vom Wein....kann er gerade noch den-

ken.

Dann denkt er nichts mehr. Ihn überrollt endlose Zufriedenheit, weil er seine

Gitti nun fast wieder wie ganz am Anfang mag.

 

 

(c) Ralph Bruse

Finderlohn

 

 

Da liegt sie nun - die Ackermöhre

und glotzt benommen in die Röhre,

weil man sie vergessen hat.

 

Die Sonne brennt.

Kein Lüftchen weht -

so dörrt sie hin im Ackerbeet

und hat ihr tristes Leben satt.

 

Schon will an ihr ein Wurm sich mästen...

Da springt ihr Retter aus Geästen!

Der nimmt sie hoch und knabbert dann

genießerisch den Findling an.

 

Dann lieber doch als Hasenfutter...

Vielleicht ist Möhrchens Welt in Butter.

Zumindest war vom leck´ren Snack

der Hoppelhase hin und weg.

(c) Ralph Bruse

Only You

Ballade für meinen Vogel

 

 

Ich sing mit meinem Kakadu

nachts an der Laterne

das Platters-Dingens ´Only you´.

Er hat das Lied so gerne.

 

Von Leuten, die uns hören,

bleibt keiner lange stehn.

Wir lassen uns nicht stören -

es muß ja weitergehn.

 

Um zwei kommt die Polente.

Um drei sperr´n sie uns ein.

Um vier gibt´s Peking-Ente

und dazu Pflaumenwein.

 

Wie das denn, wollt Ihr wissen...?

Wir sangen fürchterlich

und weinten in das Kissen,

mein Kakadu und ich.

 Da kam die Polentine

und schloss die Zelle auf.

Sie hieß auch noch Christine

und weinte mit, kurz drauf.

 

Wir sangen unser Liedchen.

Christine wurde froh.

Sie lief mit einem Tütchen

zum China-Imbiss ´Hooh´.

 

Und nach der guten Speise,

nahte der Abschied schon.

Wir gingen auf die Reise -

Christines´ Kuss zum Lohn.

 

Da stand die Polentine

ganz traurig in der Tür.

Sie winkt mit blasser Miene,

bis wir entschwinden ihr.

 

In all den nächsten Nächten

komm ich nicht mehr zur Ruh.

Auch wenn die Leut´ uns ächten -

wir singen ´Only you´.

 

Ich denke an Christine -

sie hört uns hoffentlich.

Wir schäl´n ´ne Mandarine,

der Kakadu und ich.

 

In jener Winternacht, um zwei...

Wir sind schon angefroren -

Polentenstreife fährt vorbei.

Nur Kerle, kurzgeschoren...

 Doch im Font, dahinter,

da schaut die Gute raus...

Vergessen ist der Winter

im bull(ig)enwarmen Haus.

 

Alles gut?

Von wegen...

Der Vogel wurde laut -

Christine riss der Neider

fasst alle Haare aus;

schwirrt ab, durch´s Fenster - leider

ist das zu sehr verbaut.

 

Da sang ich frohen Mutes

von Platters ´Only you´.

Denk: tu ihm mal was Gutes

und schon ist schleunigst Ruh.

 

Das Tier war richtig böse -

es furzte, als ich sang.

Klatscht schließlich mit Getöse

zu Boden, lingelang.

 

Da blieb es stocksteif liegen

und rührte sich nicht mehr.

Ich dachte: mit dem Fliegen

ist´s auch schon länger her.

 

Wir trugen ihn am Ende

bei Nacht und Nebel fort.

Ich nahm Christines´ Hände.

Wir schwiegen lang´ vor Ort.

 

Schon hellte es - wir gingen

geknickt den Weg zurück.

Ich konnte nicht mehr singen

und fern schien all das Glück.

 

In jener kargen Zelle

saß ich dann ganz allein.

Ich weinte auf der Stelle,

trank süssen Flümliwein.

 Ich soff die ganze Flasche.

Da flog das Fenster auf....

Eh ich den Vogel kasche,

sitzt er mir oben drauf....

 

2.

Ich sing mit meinem Kakadu

nachts an der Laterne

das Platters-Dingens ´Only you´....

Grafik: open clipart org.

Text: (c) Ralph Bruse

Only You ist vertont unter (selbst-) gesprochene

Gedichte auch zu hören.

Roland am Mittelmeer

 

 

Es ist soweit...Sie fahr´n gen Süden.

In Roland und den Alltagsmüden

erwacht der Freiheitsdrang - oh Schreck...

wird riesig - also nix wie weg!

 

Die Straßen sind mit Blech verstopft.

Von Rolands´ heisser Rübe tropft

der Schweiss in Nacken und in Kragen.

Er hört zerknirscht sich: > Wenn schon, < sagen.

 

Die Hitze brüllt. Der Motor kocht.

Das geht ihm halbwegs auf den Docht.

Junior jammert. Der Hund jault,

bis Inge ihm die Schlappohr´n krault.

Der Mops jault weiter, doch was soll´s.

Ist Urlaub, sinniert Roland leidlich stolz.

 

So tuckern sie von Stau zu Stau,

am Ohr die Worte seiner Frau:

> Sieh nur, Roland...Lauter Kühe! <

Er grinst und grummelt mit viel Mühe.

 

Nach drei Tagen kommt man dann

- fast im Zeitplan - endlich an.

Roland trinkt sein erstes Bier,

ortet müde das Revier

und stellt betroffen fest: nichts los...

Der Sandstrand: schwarz und nicht sehr groß,

fad der Pappfraß im Lokal

und schweineteuer allemal.

Da hilft auch nicht die Hot-Bediene,

die abkassiert mit heitrer Miene.

 

Inge krault ihm sanft den Nacken.

> Wollen wir denn hier versacken? <

Woll´n wir nicht. Er macht auf frisch

und stemmt sich hoch, vom Plastiktisch.

> Wohlan. Auf geht´s, zum Badestrand! <

Da schmeißt einer sogleich mit Sand.

Und der Piefke kräht scheißfrech:

> Is´Urlaub, Papa. Das war Pech. <

 

2.

Wär es bei Flugsand nur geblieben,

hätt´ er ´ne Karte auch geschrieben.

Doch so stand nirgends, daß Zuhaus

er Tage später ruhte aus,

von lauter Pech und Mitt-Meer-Mist,

der echt zum Abgewöhnen ist.

 

Daheim schwebt Inge dann ins Zimmer,

mit Pizza, wie sonst Samstags immer.

Sie pustet ihn zum Nachtisch an,

weil schlafend man(n) schlecht essen kann -

und ja nicht sieht, wie sie ganz nackt,

ihn vorn, an der Bermuda, packt.

 

So hat der Reinfall doch am Ende,

noch ´ne kuschelige Wende.

 

 

Verreimtes: (c) Ralph Bruse

Grafik: open clipart org.

Sommer - Nonsens für Hiergebliebene

 

Kein Fernweh

 

 

Mein Dorf hat viele schöne Seiten -

die kenn ich zwar schon alle.

Doch besser die, als Hitze-Zeiten

im zugedröhnten Malle.

 

Im Kuhstall lässt´s sich prima laufen.

Da ist man nachher richtig platt.

Hier kann ich auch aus Eimern saufen,

bin abends pille palle satt.

 

Und außerdem ist´s viel zu nett

im eigenen Drei-Meter-Bett.

(c) Ralph Bruse

Flugangst

 

 

Nur keine Panik. Locker bleiben.

Runter kommt man immer.

Mit Schnaps und Schwatz die Zeit vertreiben,

so merk´ ich kaum - kommt es doch schlimmer.

 

Wird mir das Köpfchen bald gaaaanz schwer,

seh Sterne - nur keinen Himmel mehr -

dann war der Muntermacher schlecht,

oder der Herrgott nicht gerecht...

 

Stunden später - zweiten Falls -

steht mir das Wasser bis zum Hals.

Oder ist der Ozean 

Halluzination und Wahn?

 

Alles gut - die Mitinsassen 

sich japsend an die Hände fassen.

Da ist ja auch der Bruch-Pilot.

Der lacht doch glatt, der Vollidiot

und prahlt gegen die Brandung an,

daß er bis Grönland schwimmen kann.

 

Schön für ihn. Nur hilft das nicht:

kein (Grön-) Land weit und breit in Sicht.

Und außerdem gibt es Geschrei.

> Die Flosse, da - ist die vom Hai...?! <

 

Der Vorsehungen nun genug.

Toi, toi, toi und guten Flug.

Ich nehm´ dann mal den nächsten Bus,

von Mückenbach zum Bosporus.

Vielleicht auch nicht, denn hier, vor´m Haus

stehn Kühe - die sehn glücklich aus.

Und: grast die Muhkuh voll zufrieden,

was soll der Bauer dann im Süden?

Text: (c) Ralph Bruse

Grafik: open clipart org.

Keiner versteht´s

 

 

Oma Gertrud mahnte immer:

> Nu ´ red man deutsch und spanisch nimmer! <
Sie war so eine von der Sorte,
die jeden Sonntag backt ´ne Torte.

 

Montags war dem Knirps dann schlecht
vom Torten fressen - aber echt.
Dann lag ich satt an ihren Brüsten
und brabbelte: > Wenn wir schon wüssten,
wie es noch kommt in unserm Leben,
könn´ wir uns gleich die Kugel geben. <

Oma sprach: > Mach keine Witze.
Die Welt ist schön wie grüne Grütze!
Und obendrein wirst du erleben:
tausendmal latschst du daneben -
doch einmal findst auch du dein Korn
und stehst auf einmal ganz weit vorn...
Oder halt hinten - kommt drauf an,
ob man dem Glück auch trauen kann. <

Nun ja - die Omi ist jetzt hin.
Der Knirps von früher sucht noch immer
nach ihrer Worte tiefren Sinn.
Fand sie aber leider nimmer.

So blieb alles, wie bei Oma:
keiner versteht mein La Paloma.

Doch - die eine, die´s versteht,

singt mit - wohin die Fahrt auch geht.

(c) Ralph Bruse

Ringfahndung

Ein Sketch 

 

Drei Sprecher:

 

Radiomoderator

Polizist

Omi

 

 

Antenne Sturmvogel.

Das Radioprogramm wird jäh unterbrochen.

(Radiomoderator) > Und hier noch eine wichtige Suchmeldung der Poli-

zei in Groß - Latsch. Gesucht werden drei Schwerstkriminelle, die aus der 

Landesklinik ausgebrochen sind. Die Gesuchten sind zwischen zwanzig 

und vierzig Jahre alt. Sie sind ziemlich gleich groß, wiegen ziemlich gleich 

viel und tragen identische Anstaltsklamotten. Besonderes Kennzeichen 

des entfleuchten Trios: alle drei sprechen Hamburger Platt. Für Hinweise, 

die zur Ergreifung der Ausbrecher führen, ist eine Belohnung von zehn 

Euro ausgesetzt. Vorsicht - die Männer sind extrem gewaltbereit! <

 

Nur vierhundert Meter Luftlinie weiter und keine fünf Minuten später, klin-

gelt bei der örtlichen Polizei das Telefon.

 

> Revier drei. Hauptwachtmeister Ludowich. <

> Wie bitte? Was für'n Kleister?...Hab ich mich schon wieder verwählt

und bin im Tapetenladen gelandet?

(Er) > Sie sprechen mit Polizeihauptwachtmeister Ludowich. <

(die schwerhörige, alte Dame begreift endlich)

> Polizei? Bin ich da richtich bei der Polizei? <

(genervtes Murren am anderen Leitungsende)

(leise) > Olle Matrone...Und schwerhörig isse auch noch. <

Hauptwachtmeister Ludowich strafft sich.

> Wo drückt denn der Schuh, gnäd'ge Frau? <

(Sie) > Wie bitte? Könn' se nich 'n bisschen lauter sprechen, wegen mei-

ner schlechten Ohr'n, wissen Sie? <

(erneutes Murren)

(laut) > Also gut, das Ganze nochmal von vorn...Wo drückt er denn, der 

Schuh, Gnädigste? <

(Omi) > Schrei'n Sie mich doch nich' so an, Sie unhöflicher Mensch, Sie! <

(kurze Pause)

> Ja, also...ich ruf an, wegen der Einbrecher. Oder war'n es Ausbrecher? 

Na, jedenfalls hab ich die drei Banausen geseh'n - undzwar genau hier, 

bei uns, im Baumarkt! <

(kurze Pause)

(Er) > Was Sie nicht sagen...Und, wie sahen die drei Männer aus? <

(Sie) > Ja, wie Verbrecher halt aussehn, ne...Ganz schön böse sah'n 

die aus. Wissen Sie, Herr Inschpektor...eigentlich hab ich ja nix gegen

Ausländer, aber die drei Schurken sah'n aus wie Türken, wenn ich nicht

irre. Aber so ganz genau kann ich das auch nich' sagen. Vielleicht wa-

ren 's auch Muselmänner. Also, vielleicht Iraner, oder Persianer. So 

ganz sicher bin ich mir da nich'. Nu ja, aber auf jeden Fall sah'n die Ker-

le alle gleich aus, und da dachte ich, das sind bestimmt die Strolche...<

(heftiges Knurren am anderen Ende)

> Gute Frau, geht es nicht etwas präziser?...Wie, bitteschön, sahen die 

Männer also aus? <

> Ja, wissen Sie, Herr Oberfeldwebel...<

(er, laut!) Hauptwachtmeister, gnäd'ge Frau. Hauptwachtmeister!

(Omi) > Das sag ich doch die ganze Zeit, Herr Hauptfeldwebel!...Gleich

sah'n die aus. Völlich identisch!. Ja, also, was mich stutzich gemacht

hat, war der astreine Hamburger Dialekt, den die Strolche gesprochen

haben. Iraner sprechen doch kein Hamburger Platt, oder was meinen

Sie, Herr Hauptwachmann...? Ja, und denn haben die drei Kerle doch

tatsächlich Spitzhacken gekauft - und da bin ich erstrecht stutzich ge-

worden. Was woll'n drei Muselmänner mit langen Spitzhacken, ne...?

Und das Dollste kommt jetzt, Herr Hauptvorsteher...Die drei finsteren

Typen haben sich doch glatt an der Kasse vorgedrängelt, und behaup-

tet, sie wären fürchterlich in Eile...! Also, wer das so eilich hat, der muß

doch auf der Flucht sein, dachte ich mir so.....Und nu' komm ich grade

völlich fertich zurück, ins Heim, dreh mein Radio an; schnapp am Fens-

ter so schön nach Frischluft - und da hör ich doch die Suchmeldung von

 den drei Räubern im Baumarkt. <

(Sie kichert)

> Da haben Sie aber wirklich Glück, daß ich Radio gehört hab!. Also ruf

ich Sie eben ganz fix an - ja, und hier bin ich nu'. <

(kleines Päuschen)

> Ach, was ich noch fragen wollt'...Krich ich nu' die zehn Euro, die 's als

Belohnung gibt?

(dem Hauptwachtmeister platzt der Kragen)

> Wissen Sie was? Ich geb Ihnen zwanzig Euro aus eigener Tasche, 

wenn Sie mich mit dem Blödsinn verschonen und endlich die Klappe

halten! <

(Oma) > Wie bitte? Ich hab Sie nich' so gut verstanden, wegen der 

schlechten Ohr'n, wissen Sie, Herr Hauptvorsteher?. Könn' Sie das

nochmal wiederhol'n? <

(Polizist schreit) > Ich weiß was Besseres, Sie...Sie....Sie können mich

 mal - undzwar hintenrum, Sie Nervensäge! <

(Omi versteht nicht ganz) > Jaja, manche Wege sind ganz krumm.

Ganz Ihrer Meinung.....Na, denn hoff ich doch, daß Sie die Spitzhacken-

kerle beizeiten schnappen, ne. Ach ja, wegen der zehn Euro nochmal...

Die könn' Sie ruhich mit der Post hierher, ins Heim, schicken. Die krich

ich denn schon. <

(Polizist flucht heftig) > Sie sind eine echte Plage, Sie...Sie...! <

(Omi hört ganz schlecht) > Wie bitte? Jaja, das Schönste vom Tage - 

das wünsch' ich Ihnen auch, Herr Hauptmann! <

(kleine Pause) 

> Na, Sie sind mir aber ein freundlicher Mensch. Dabei dachte ich vor-

hin schon...Na ja, vergessen wir das. <

(Er ist fuchsteufelswild) > Blöde Kuh! Muuuh! <

 

Es klickt in der Leitung.

 

Die alte Dame ist etwas verwirrt.

> Nanu, jetzt hat er aufgelegt. Dabei hab ich ihm doch noch garnich'

gesagt, wohin er die zehn Euro schicken soll. Ach ja, doch...hat er

bestimmt aufgeschrieben, weil - er sagte ja noch: Möde Ruh. Alten-

heim Möde Ruh. Richtig. Nur: woher weiß er das?...Hab doch selber 

garnix gepfiffen. Oder doch? Bestimmt haben die da ja so'n, wie sagt

man...Fangedingsbums? Fanggeschaltet, korrekt....Aber das mit dem

Muuuh hinter Möde Ruh, das versteh ich nich' so ganz.....Na, das kann

ich den freundlichen Inschpektor später immer noch fragen. Jetzt

braust er ja erstmal zum Baumarkt, wegen der iranischen Spitzhac-

ken, die er verhaften muss...<

 

 

(c) Ralph Bruse

IQ

 

 

Berühmt sein wollen Leute immer.

Doch oftmals hat man keinen Schimmer,

wie das geht - auch ich nicht - leider.

Ich bin praktisch ein Glücks-Vermeider.

Soviel Pech, sagt selbst die Frau,

hat nirgendwo die dümmste Sau.

 

Womit auch schon das Stichwort fällt:

dumm ist eh die halbe Welt.

Und weil wir schon mal Klartext schreiben:

immer schön bei der Wahrheit bleiben.

 

Mein IQ - so wird´s hier stehen

ist flach - mal hoffnungsfroh besehen.

Bei fünfzig etwa - also: schlecht.

Manchmal vierzig ganz in echt.

Dreißig schaff ich auch in Raten.

Da wären wir bei den Primaten.

 

Wie das dann ist bei null Prozent?

Weiß ich doch nicht, weil wer dann pennt.

Im Schlaf nämlich mal ich mir aus,

die ganze Welt als Irrenhaus.

 

(c) Ralph Bruse

Kein Ei

 

 

> Kiki legt keine Eier mehr!, <

klagt der Bauer sorgenschwer.

> Es geht der Dame doch nicht schlecht.

Der Hof ist groß und artgerecht. <

 

Wer will schon auf sein Ei verzichten,

drum wird er seinem Huhn berichten,

von der Legebatterie.

Dezenter Schock, der schadet nie.

 

So saß der Bauer da, und sprach:

> Kiki, das geht mir wirklich nach...

kein Mist, kein Wurm, kein Freilauf, dort

und dauernd hol'n sie Hühner fort.

Wohin, das sag ich lieber nicht -

nur soviel: nie mehr Himmelslicht...<

 

Das hilft. 

Am frühen, nächsten Tag

ein Riesenei im Stalle lag.

Kiki scharrt brav um Haus und Hof.

Sag einer: Hühner wären doof.

Grafik: gif-paradies. de

Verreimtes: (c) Ralph Bruse

Weiberheld

 

 

Ob mollig, mittel, Bohnenstange...

Ist ihm doch pille palle.

Der Kerl an sich bohrt ewig lange

und träumt: ich krieg sie alle.

 

 

 

 

Weiberheld 2

 

Der Mann an sich balzt gern bei Frauen.

Zum Schluss wird´s die zum Pferdeklauen.

 

 

(c) Ralph Bruse

Kompliziert

 

Wir sollten uns wieder zusammenraufen, Liebste.

Deshalb schlage ich vor, daß du die Nacht über hierbleibst -

zur weiteren, intensiveren Beobachtung.

 

 

(c) Ralph Bruse

unterhalten sich zwei

 

 

Sagt der eine: ich bin's leid.

Und der and're: ich bin krank.

Dann schweigen sie für lange Zeit

einander an, auf einer Bank.

 

Kommt 'ne Mutter flugs vorbei -

winkt gutgelaunt herüber.

Den Beiden scheint das einerlei -

da grantelt man doch lieber.

 

Springen vier, fünf Kids vorbei.

Die kreischen ohne Ende.

Den Beiden scheint das einerlei.

Dann reckt einer die Hände.

> So war‘n wir nicht. War alles besser...

Früher war noch Schliff! 

Alles verwöhnte Weichbrotfresser!

Kein Schwein hat die im Griff! <

 

Wieder Schweigen. 

Ziemlich lange.

 

Dann kommt ein großer Hund vorbei.

Ein Riesenvieh von Hund.

Der schnüffelt an des einen Beine

und kackt sich glatt das Arschloch wund,

weil das Riesenkalb geschlaucht,

fast ´ne ganze Stunde braucht.

 

> Was ein Haufen!, < staunt der eine.

Jener and‘re: > Der macht‘s richtig...

scheisst und zieht beizeiten Leine

und nimmt scheinbar garnichts wichtig. <

 

So grummeln sie auch weiter munter.

Gehn langsam im Getümmel unter.

 

Zu guter Letzt kommt noch die Nacht -

holt Mann und Maus ins Dunkel.

Auf der Bank - in wüster Pracht,

herrscht Trubel - keineswegs Gemunkel.

 

Da sitzen die zwei Rentner - gröhlen

die eingebläuten Nazi-Lieder.

Saufen Bier und saufen Wein.

Morgen granteln sie dann wieder.

Ist so. Muß so sein.    

Grafik: open clipart org.

Schriftliches: (c) Ralph Bruse

Selbstbeküsst

 

Schon beim Erwachen hatte ich das ganz starke Gefühl,

heute einem unheimlich interessanten Menschen zu begegnen.

Nicht mal eine Stunde später, beim Blick in den Spiegel,

dann die Gewissheit: stimmt.

 

 

(c) Ralph Bruse

Holzauge

 

 

> Mensch Erwin, guck dir das mal an...

Die Schmitt hat Goldgardinen.

Aha - jetzt kommt ihr Göttermann

nach Haus vom Geldverdienen.

 

Du, Erwin...jetzt begrapscht er sie.

Herrje - die arme Frau!

Wußt ich´s doch - der taugte nie,

der Kerl von einem Pfau.

 

Du könnt´st mir mal ´n Fernrohr kaufen,

denn sind wir stets im Bilde.

Mensch Erwin, mußte soviel saufen?!

Der Schmitten führt doch was im Schilde...!

 

Und ob! - jetzt ist die Schmitten reif -

der Lustmolch trägt sie an das Bett.

Du, Erwin, was ich nicht begreif´ -

wieso bist du nicht auch so nett?

 

Nee - stell dir vor - die Schmitten strippt,

bevor´s bei denen schnackelt. <

Von Schnaps und Redeschwall beschwippst

kommt Erwin angewackelt.

 

> Du bist ein wahres Klatschmaul, Weib! <

Und: > Lass die Leut´ doch gehn. <

Er wuchtet seinen breiten Leib

ans Fenster.

> Lass ma´ sehn...<

 

2.

Ungefähr drei Stunden später

steht Polente an der Tür.

Die bringen weg, den Übeltäter -

Richtung Ausnüchterungsquartier.

 

Tags darauf wird manches klar -

ein Nachbar hat´s gesehen -

daß da ein Paar am Fenster war...

Der Kerl konnt´ kaum noch stehen...

Und mitten in dem Liebesspiel,

die Frau nach hinten runterfiel -

also raus und in den Garten...

Zum Glück nicht auf Beton - den harten,

sondern in den Reisighaufen.

 

Sie konnte bald schon wieder laufen.

Und keifen konnt´ sie auch recht munter.

> Erwin, komm sofort hier runter! <

Doch der blieb schön, wo er war;

bekratzte seinen...genau da.

 

So kam´s, daß Elli - stinkesauer

erzählt, sie sei ´gefallen worden´.

Jetzt sitzt der Erwin hier, im Tower

und könnt´ das Miststück glatt ermorden!

 

Schließlich darf er Leine ziehn;

stapft großen, forschen Schritts nach Haus.

Elli wartet nicht auf ihn

und glotzt auch nicht zum Fenster raus.

 

Erwin kann sein Glück kaum fassen:

Seine Frau hat ihn verlassen!!!

All ihre teuren Plünnen - weg;

der Kaktus in dem Sofaeck;

Fernseher und  Kofferheule,

im Schlafzimmer, die Lampeneule

und an die hundert Tupperdosen.

Zerschnippelt hat sie seine Hosen.

 

Von Liebe, die es wohl mal war,

blieb Asche nur auf beider Haar -

oder, wie in diesem Fall:

zerfetzte Kleider überall.

 

Ganz urplötzlich wird ihm klar,

daß der Sturz kein Unfall war...

Daß er sie hintenrum gepackt -

erst oben, dann am Bein.

Eigentlich ganz weich, so nackt.

Doch wie vieles an ihr: Schein.

So dachte er, als sie schon fiel...

 

Vorbei ist´s mit dem Liebesspiel.

Doch öfter lohnt das Warten...

Die Augen sehn ja gut und viel

in Nachbars Haus und Garten.

 

Erwin grinst ganz  ohne List.

> Siehste, Elli......Ruhe ist. <

 

 

(c) Ralph Bruse

Kleine Gefälligkeiten

 

 

Hajo Jensen ist ein durch und durch ehrbarer Mensch - zumindest,

was seine Umgangsformen angeht. Darüber hinaus ist er auch zu-

vorkommend - jedoch in anderer Hinsicht. Nehmen wir mal an, Jen-

sen ist überaus hilfsbereit - und zugleich ein ausgekochter Mistkerl.

Das käme der Wahrheit deutlich näher und ist ja auch nicht weiter

schlimm. Fast alle Leute in dem idyllischen Küstenort Ronneburg

sind nämlich auf ihre Art hilfsbereit - zumindest dem Schein nach -

und das soll auch so bleiben. Und damit das so bleibt, gibt es Kerle,

wie Hajo Jensen.

Was aber ist nun besonders an diesem freundlichen Herrn Jensen?

Eigentlich nicht viel. Er ist nicht mehr jung - also ziemlich alt, nicht

kauziger als andere seines Alters, und betreibt einen mickrigen Trö-

delladen ober - oder unterhalb der Hafenbuchtung - das kommt

ganz auf die Sichtweise an.

 

Ronneburg zählt an jenem Tag im April, da diese kurze Geschichte

beginnt, genau dreihundertundvierzehn Einwohner. Eigenartiger-

weise reduziert sich diese Zahl ständig. Vorgestern, zum Beispiel,

lebten noch dreihundertundfünfzehn Leute in Ronneburg....Das ist

völlig normal, werden Sie denken. Überall sterben Leute, wenn sie

am Ende ihrer Tage angekommen sind, oder schwer kränkeln.

Stimmt. Nur: was ist, wenn jemand überraschend, oder gar rein zu-

fällig das Zeitliche segnet? - ohne je krank gewesen zu sein? Mitten

aus dem Leben gerissen?...Unfall? Selbstmord? Mord? Gott bewah-

re! Geht im trauten Ronneburg etwa ein Mörder um? Oder gleich

mehrere?

Unfassbar!

 

> Ich hätte gern die Porzellanvase aus dem Schaufenster, < sagt die

alte Dame. Sie wirkt nervös, obwohl kein Grund dazu besteht, denn

in Hajo Jensens höhlenartigem Laden wird normalerweise jede hek-

tische Anwandlung unmittelbar von großer Ruhe umschlossen. Da-

ran liegt es also nicht, daß der Dame etwas die Hände zittern.

> Ein gutes Stück, < brummt Jensen. > Sie haben Gespür für echte

Kostbarkeiten, Madame. Das ist eine Meißener. Um Neunzehnhun-

dertzehn. Mein bestes Stück, < gibt er zu.

> Sicher auch das Teuerste, < klagt die verschnupfte Kundin schon

mal vorsorglich. > Außerdem ist der obere Rand beschädigt. Hier,

sehen Sie? Pardon... <

Sie lupft ein Taschentuch; schnieft kräftig.

Die Mitleidsmasche zieht bei mir nicht, sinniert Jensen. Trotzdem

ist er wie eh und je der nette, alte Herr, der dienert und schmeichelt.

> Nun ja, < sagt er schließlich. Sie ist ein wenig lädiert und ich will

Ihnen darum gern einen Sonderpreis vorschlagen. <

Sie winkt ab. > Papperlapapp. Ich nehme sie. Und hören Sie end-

lich auf, so geschwollen daher zu reden! Ich bin nicht nur wegen 

der Vase hier, sondern weil ich Sie um eine Gefälligkeit bitten 

möchte.<

> So? < Er setzt eine Unschuldsmiene auf, obwohl er schon ahnt, 

was nun kommt.

> Ich hab ein Bett zuviel in meinem Haus. <

> Ein Bett zuviel. Soso. Das ist nicht weiter tragisch. Werfen Sie es

doch einfach weg. <

> Sie wissen genau, wovon ich rede!, < schimpft sie verärgert.

Er starrt ihr in die gekniffenen Augen - sekundenlang - und versteht

endlich. Sein Grinsen kommt hervor. > Verzeihen Sie. Ich muß mich

lediglich vergewissern, daß ich Ihnen trauen kann. <

> Das können Sie!, < entgegnet sie fast beleidigt.

> Also gut. Sie haben ein Bett zuviel. Ein älteres Bett, vermute ich

mal.<

> Dreiundsechzig. <

> Dreiundsechzig Jahre. Soso...Ist das Bett beschädigt? <

> Nein, in relativ gutem Zustand. <

> Ich muß Sie wegen meiner Neugier nochmals um Verzeihung bit-

ten, Madame, aber...<

Sie plustert sich auf. 

> Entschuldigen Sie sich nicht andauernd, sondern fragen Sie frei-

raus! <

> Zu Diensten. Wie Sie wünschen. <

Ein Bückling. Dann strafft er sich zu voller Größe.

> Warum wollen Sie das Bett loswerden, wenn es noch brauchbar

ist? <

Sie ändert die Gesichtsfarbe - zügelt ihre Unruhe nur mühsam.

> Weil es im Weg ist! < 

Sie schnieft nochmal. > Wir lamentieren entschieden zuviel! Wer-

den Sie das Bett abholen, oder nicht? <

> Nur, wenn Sie es wirklich nicht mehr brauchen, Madame. <

> Davon rede ich doch die ganze Zeit! Raus damit! < 

Sie ist sich dessen offenbar todsicher.

> Jaja. Schon gut, < beruhigt Jensen. > Ich werde es diesen Sams-

tag holen. Sobald es dunkel wird. Ist Ihnen das recht? <

> Nur zu! <

Sie wendet sich zur Tür.

Einen Augenblick, Madame...<

> Was ist denn noch? <

> Möchten Sie, daß ich das Bett zu Kleinholz mache, oder soll es

ganz bleiben? <

Sie überlegt kurz. 

> Kleinholz macht Schmutz. Lassen Sie es ganz. Hauptsache, Sie

holen es! Hier ist meine Adresse...So, das wärs dann wohl. <

 

Tür auf.

> Madame? <

> Ja? <

> Die Vase. Sie vergaßen, zu bezahlen. <

> Herrje. Bin ja sowas von durcheinander! <

> Nicht so schlimm, Madame. Wir sind halt in unsicherem Alter.

Witzchen in Ehren - das muß auch mal sein. <

Doch der alten Dame ist nicht nach Witzchen.Viel lieber ist ihr 

der Tonfall eines Kapitäns, in Kriegssituation. > Hier, nehmen Sie

schon! <

Sie ist äußerst großzügig - reicht weit mehr Geld, als notwendig, hin.

> Dies ist die erste Rate. Den Rest gibts Samstag. <

Er nickt hocherfreut; schnappt flink nach dem Geld, dann zum Tür-

griff und wünscht der resoluten Kundin einen rundum wundervollen

Tag.

> Gleichfalls, < erwidert sie knapp und gockelt, die Nase rümpfend,

ins Freie. Jensen blickt ihr eine Weile lang nach. Eigentlich seltsam,

denkt er. Meistens sind es alte Damen, die ihn um kleinere Gefäl-

ligkeiten bitten. Oft ist ein Bett zuviel im Haus - ein Bett, welches

umgehend raus muß - nachts, wenn es duster ist, versteht sich. Ei-

gentlich ist es schade um die vielen, entrümpelten Betten, doch zu-

viel Fragerei verdirbt das Geschäft...Also holt der nette Herr Jensen

die Betten ab und lässt sie verschwinden - auf Nimmerwiedersehn.

Und wenn dieses oder jenes Schlaflager erstmal verschwindet, ist

das beschauliche Ronneburg wieder um einen Einwohner ärmer....

 

 

Samstag.

Bei Einbruch der Nacht fährt er - freilich ohne Licht - bei der Kun-

din vor.

Sie öffnet leise die Tür. Auf ihrem Kopf hockt eine überdimensiona-

le Rüschenhaube und ihr weisses Nachthemd ist so lang, daß es sich

ebenso gut als Bodenfeudel eignet.

Hajo Jensen kann sich ein zartes Grinsen nicht verkneifen.

> Na los, kommen Sie schon!, < tuschelt die Alte. Und: > Es wird

klappen. Er ist schon vor einer Stunde ins Bett gefallen. Sturzbe-

trunken war er! Dafür schläft er jetzt um so besser...<

Ihr Kichern klingt grässlich.

Sie zieht ihn mit sich. 

Nach wenigen Metern erreichen sie das Schlafzimmer - schließlich

das Bett, in dem der Sterbekandidat laut schnarchend seinem Tief-

schlaf fröhnt.

Ein friedliches Bild. Der Schlafende scheint zufrieden; mutterselig

zu sein. Ab und zu lallt er wie ein Kleinkind vor sich hin - und fast

genauso sieht er aus - die Beine angezogen bis zum Bauch, den

linken Daumen halb im Mund; die rote, offenbar verschnupfte Na-

se tröpfelt ununterbrochen. Sein gut gefüllter Bauch verursacht ein

Bäuerchen, und kurz darauf lässt der Schlafende einen Furz fliegen,

der ohne viel Lärm - und Geruchsbelästigung auskommt.

Jensen kann seine Rührung kaum verbergen. Er soll einen friedlich

schlummernden Mann mir nichts dir nichts abmurksen?

Warum nicht?!, meldet sich eine zweite Stimme aus seinem Innern.

Bislang hast du dich auch nicht so geziert!

Ja, schon, schreitet wieder die erste Stimme ein. Aber die anderen

haben sich gewehrt - die kämpften um ihr Leben - wenn auch ver-

gebens. Die anderen waren allesamt gemein, roh und widerlich!

Aber dieser Kerl liegt einfach da und schnarcht den erkauften Mör-

der lediglich mitleiderregend an.

So geht das nicht. Soll er sich gefälligst wehren...!

Unsinn!, schnauzt die zweite Stimme. Tu, was zu tun ist, und ver-

schwinde. Je weniger Ärger der Trottel macht, desto besser für ihn -

und für dich! Na los, mach schon, Hajo Jensen. Zieh ihm eins über!

Der Eisenknüppel in seiner Hand hebt sich.

Noch höher....Gleich saust das schwere Monstrum nieder. Dann 

kann er das Bett gleich mitnehmen, weil es blutbesudelt - und eben-

falls hin ist. Blutgefärbte Betten sehen sehr unschön aus. Blutige Ma-

tratzen erstrecht. Also - weg damit. Weg mit dem Kerl, und weg mit

dem letzten Gezauder!

 

Jensens Arm saust hinab. Auf halber Strecke stoppt er plötzlich...Im

Geiste sieht er schon den nächsten Toten auf seiner unrühmlichen

Liste - doch der Arm - elender, der! - will nicht so, wie er will. Da

drängt sich doch die entscheidende Frage auf, wer es wagt, diesen

Arm zu stoppen...? Sein Wille ist es jedenfalls nicht. Ja, er will dem

Schlafenden eins überziehn - er will es, um schnellstens mit ihm,

samt Bett, verschwinden zu können. Jeder Muskel seines Arms ist

dazu bereit. Auch Stimme eins - die Rührselige - schweigt jetzt, 

weil Stimme zwei obsiegte. Was also ist die einzige, logische Er-

klärung der Schlaghemmung...?

Ein Komplott. Ein Hinterhalt, dessen Ursache von anderswo auf ihn

einwirkt. Von hinten, genauer gesagt. Feige, rücklings von hinten...!

Jensen spürt einen harten Einschlag im Schädel. Die Wirkung ist 

katastrophal umwerfend...Ein dröhnendes Krachen fährt von oben

nach unten - sogar quer, durch all seine Glieder. Immer schneller 

wird das krachende Fahren - bis ihm übel wird. Er sieht noch den 

ruhig schlafenden Mann im Bett, erkennt die Alte mit gezücktem

Revolver in der Hand, kann noch ihr affiges Grinsen sehen, das so

garnicht zu dem engelsgleichen Nachthemd passt. Dann sieht er 

schwarz und nichts mehr. Er sackt mitten in die Almlandschaft der

frisch überzogenen Bettwäsche und verdirbt alles mit unnötigen 

Blutklecksern.

Hajo Jensen ist toter als tot - das steht außer Frage.

Die Alte ist völlig von Sinnen. Sie erschießt hernach ihren Gatten,

richtet die Waffe gegen die Meißner Vase im Schrank und schließ-

lich richtet sie sich selbst durch einen aufgesetzten Schuss ins

Trommelfell ihres linken Ohrs.

Und dann.....

 

 

2.

> Das reicht!, < schnauzt Ritter, der Produzent. > Ich weigere mich,

diesen Kokolores weiterzulesen! <

Er schnappt heftig nach Luft.

> Und daraus soll ein verdammt guter Film werden?! <

> Dünnpfiff wird das! Holt mir sofort den Saukerl von einem debi-

len Schreiber hierher! Häuten werd' ich den! Und vierteilen! Stra-

ßenkötern zum Fraß vorwerfen! Mir mit so einem Scheiß die Zeit

stehlen...Los, her mit dem Schwachkopf! Wie war nochmal der Na-

me? <

Dünn und zaghaft die Stimme aus dem Hintergrund.

> Braun, Chef. Steht ganz unten, im Skript.<

Stille. Sekundenlang.

Gesicht und Ohren des Produzenten röten sich zusehends. Zudem

befällt ihn plötzlich ein heftiger Juckreiz. Er bekratzt seinen Nac-

ken, dann die lichten Stirnecken, dann...

> Braun?,< hakt er nach. > Der Braun? <

> Ja, Chef, < bestätigt die dünne Hintergrundstimme. > Hatte erst

letztens wieder 'nen Topseller am Start. Dem kaufen die Leute al-

les ab. Egal was. Hauptsache, da steht H.O. Braun auf'm Buchdec-

kel. <

Ritter, der Produzent, ist umgehend die personifizierte Freundlich-

keit. 

> Warum sagen's denn nicht gleich, daß unser geschätzter Braun...

Na, da les' ich denn nochmal in aller Ruh drüber, ne? Wenn der

Braun das macht, denn macht der das schon richtig. Und wir ma-

chen den verdammt guten Film draus, oder etwa nicht?! Machen 

wir doch, ne? <

Eifriges Nicken ringsum.

 

 

3.

Trotz allerhöchster Ausgaben für Werbegetöse und niedrigster

Preise für Kino-Eintrittskarten wurde 'Kleine Gefälligkeiten' kein

Kassenknüller, sondern ein brutaler Reinfall. Ritter, der Produzent,

übernahm sich finanziell derart, daß er bankrott ging. Reiser, der

Regisseur, ist froh, daß er nach der Pleite heute wenigstens noch 

bei Schmuddelfilmen hinter der Kamera agieren darf.

H.O. Braun, der Bestsellerautor, war schon immer etwas überheb-

lich. Auch er wurde nicht geschont und mußte sich fortan mit ganz

kleinen Brötchen begnügen.

'Kleine Gefälligkeiten' brachte den Beteiligten also wahrlich kein

Glück. Zu allem Unglück kommt, daß H.O. Braun - wie inzwischen

bekannt wurde - munter weiter seine schlechten Geschichten

schreibt und verbreitet.

Unter anderem Namen, versteht sich.

Schmierfink, der.

 

 

(c) Ralph Bruse

     Christine

       Ralph

       Heike

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